09.06.2016 17:05:51

Konjunkturexperten: Inflation bleibt von steigenden Arbeitskosten unberührt

   Von Christian Grimm

   BERLIN (Dow Jones)--Die Arbeitskosten sind in Deutschland zuletzt so stark gestiegen wie seit drei Jahren nicht mehr. Um satte 3,1 Prozent zogen sie im ersten Quartal gegenüber dem Vorjahreszeitraum an. Die laufenden Tarifabschlüsse des Jahres zeigen auf den ersten Blick, dass sich die Beschäftigten über ansehnliche Lohnzuwächse freuen können. In der grauen Theorie sollten steigende Arbeitskosten (aus Bruttolöhnen und Nebenkosten) eigentlich die Inflation treiben.

   Doch davon ist bisher nichts zu spüren, und nach Einschätzung von Konjunkturexperten wird sich daran auch nicht viel ändern. "Wir gehen nicht davon aus, dass es jetzt einen Schub bei den Verbraucherpreisen gibt", sagt Simon Junker vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) aus Berlin. Durch die Einsparungen beim Import von Rohstoffen wie Öl und Metallen sind die Unternehmen aus seiner Sicht nicht gezwungen, die steigenden Ausgaben für die Gehälter vollständig an die Kunden überzuwälzen. Für das Gesamtjahr sagen die Berliner Forscher nur eine Teuerung von einem halben Prozent voraus. Aktuell steht sie sogar nur bei 0,1 Prozent und ist damit kaum mehr zu spüren.

Ein Glaubwürdigkeitsproblem für die EZB

Für den Konjunkturchef des ifo-Instituts liegt die Ursache vor allem in einem psychologischen Problem. "Bei den Tarifverhandlungen schauen die Verhandler zurück und orientieren sich an der schwachen Inflation der letzten Zeit", meint Timo Wollmershäuser. Für die Beschäftigten springe bei Nullinflation immer noch ein ansehnliches Lohnplus heraus, aber gesamtwirtschaftlich sei die Entwicklung bedenklich. "Im Grunde ist das der Worst Case für den Notenbanker. Es handelt sich um ein Glaubwürdigkeitsproblem der EZB, dass sie die Inflation trotz aller Anstrengungen nicht auf 2 Prozent bringen kann", erläutert Wollmershäuser.

   Selbst wenn die stark schwankenden Preise für Rohstoffe und frische Lebensmittel herausgerechnet werden, tut sich auch bei der Kerninflation hierzulande wenig. "Wenn nicht einmal in Deutschland die Verbraucherpreise trotz geringer Arbeitslosigkeit, niedrigsten Zinsen und Wachstum nach oben gehen, wo denn dann in Europa?", fragt sich der ifo-Chefvolkswirt.

Bundesbank sorgt sich über moderate Tarifergebnisse

Die Währungshüter der Bundesbank beschäftigt dieselbe Frage. Im Monatsbericht für Mai gehen die Notenbanker für ihre Verhältnisse sehr deutlich auf die aus ihrer Sicht moderaten Lohnabschlüsse ein. Auch sie befürchten, dass das Inflationsziel der EZB bei den Tarifgesprächen völlig aus dem Blick geraten könne.

   Unisono kommen auch die beiden Ökonomen Wollmershäuser und Junker zu dem Ergebnis, dass das Plus in den Portemonnaies ruhig stärker ausfallen könnte. Die Arbeitgeber haben traditionell die gegenteilige Meinung. Doch die Reaktion ihres Verbandes BDA auf die kräftig gestiegenen Arbeitskosten im ersten Quartal ist zurückhaltend und kommt ohne Appelle an die Bescheidenheit der Beschäftigten aus. Nur zusätzliche sozialpolitische Wohltaten lehnen die Unternehmen ab. "Wir brauchen eine nachhaltige Sozialpolitik, damit die Arbeitskosten nicht noch weiter zulasten der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen steigen", erklärte der BDA dieser Nachrichtenagentur.

   Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com

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   June 09, 2016 10:34 ET (14:34 GMT)

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