01.02.2013 11:52:30
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KONJUNKTUR IM BLICK/Was sagt Draghi zum Euro-Kurs?
Von Hans Bentzien
Die Geldpolitik der weltweit wichtigsten Zentralbanken geht seit einiger Zeit getrennte Wege, was deutlich Spuren bei den Wechselkursen hinterlässt. Mit weitem Abstand am lockersten ist die Politik der Bank of England (BoE), die ihre Bilanzsumme jedoch seit Oktober 2012 nicht mehr ausweitet. Es folgen die Federal Reserve, deren Bilanz durch QE3 gerade kräftig ausgeweitet wird und die Bank of Japan mit ihrem neuen Wertpapierkaufprogramm. Am wenigsten locker ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB).
Dem Euro hat das einen deutlichen Aufwertungsschub beschert, was die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exportunternehmen beeinträchtigt und die Konjunkturerholung dämpfen dürfte. EZB-Präsident Mario Draghi wird am Donnerstag nach den geldpolitischen Beratungen des EZB-Rats Gelegenheit haben, diese Entwicklung zu kommentieren. Journalisten werden Draghi fragen, ob er den aktuellen Euro-Kurs bereits als Konjunkturrisiko betrachtet oder ab welchem Kurs er eine Gefährdung der Konjunkturerholung sieht.
An den Finanzmärkten dürfte seine Antwort genau analysiert werden. Ein starkes Signal an die Finanzmärkte wäre sicherlich die Erwähnung des Wechselkurses in den einleitenden Bemerkungen des EZB-Präsidenten. Allerdings hat die EZB die Aufwertung des Euro mit ihrer erfolgreichen Kriseneindämmungspolitik selbst verursacht. Sie hat die Versorgung der Banken mit Liquidität so organisiert, dass die Institute und nicht die Zentralbank über die Höhe der EZB-Bilanzsumme entscheiden.
Benötigen die Banken weniger Kredit, borgen sie weniger oder zahlen sogar zurück. Sie haben in der vergangenen Woche 137 Milliarden Euro an die EZB zurückgegeben, die sie eigentlich erst in zwei Jahren hätten zahlen müssen. Und sie haben das, wie das Ergebnis der zwei darauf folgenden Tender zeigte, auch nicht über kürzerfristige Geschäfte ausgeglichen. Mit anderen Worten: In der Eurozone hat die geldpolitische Normalisierung begonnen, die Zinsen steigen.
Der Euro hat seit seinem Tief im August 2012 um 12 Prozent aufgewertet. Der reale effektive Wechselkurs allerdings, auf den es mit Blick auf die preisliche Wettbewerbsfähigkeit ankommt, hat zwischen August und Dezember - aktuellere Daten liegen noch nicht vor - gerade mal gut 3 Prozent zugelegt.
Allerdings, und das sollte auch in dieser Hinsicht nicht unterschätzt werden, ist der Euroraum wirtschaftlich kein homogenes Gebilde. Die realen effektiven Wechselkurse der einzelnen Mitgliedsländer unterscheiden sich durchaus, und außerdem hat jedes Land seine eigenen Schmerzgrenze. So ist der deutsche Wechselkurs nur um 1,4 Prozent gestiegen und lag im Dezember um nur 1,3 Prozent über Eurozone-Durchschnitt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die deutsche Industrie produktiver als andere ist und dass deutsche Produkte teilweise Alleinstellungsmerkmale aufweisen, die sie für Preisänderungen unempfindlich machen.
Weniger gut sieht die Lage in Frankreich und Italien, zwei anderen Exportnationen, aus. Frankreichs Wechselkurs lag um 2,5 Prozent über Eurozone-Durchschnitt und Italiens um 5,4 Prozent. Nimmt man die wegen niedrigerer Produktivität höheren Lohnstückkosten dieser Länder mit ins Bild, erhält der Euro-Kurs eine höhere Bedeutung.
Es würde nicht verwundern, wenn sich Politiker und Zentralbankvertreter dieser Länder in nächster Zeit kritisch zum starken Euro äußern. Ob sich auch der EZB-Präsident dazu hinreißen lässt, bleibt abzuwarten. Eine Änderung der Zinsen oder veränderten Bedingungen bei der Liquiditätsversorgung der Banken sind für Donnerstag nicht zu erwarten.
Auch die Bank of England, deren geldpolitischer Ausschuss am gleichen Tag zusammentritt, dürfte an den Zinsen nichts ändern. Aber angesichts der anhaltenden Konjunkturschwäche in Großbritannien wollen Beobachter nicht ausschließen, dass es eine weitere Lockerungsrunde geben wird. Mark Carney, der designierte Gouverneur der Bank of England, könnte seine Vorstellungen darlegen, wenn er - ebenfalls am Donnerstag - vom Finanzausschuss angehört wird.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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February 01, 2013 05:22 ET (10:22 GMT)
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