17.05.2014 10:07:47

HINTERGRUND/Rätselraten am US-Anleihemarkt: Warum steigen die Renditen nicht?

FRANKFURT (dpa-AFX) - Was ist nur los am amerikanischen Anleihemarkt? Diese Frage stellen sich derzeit zahlreiche Fachleute. Das Rätsel, vor dem sie stehen: Obwohl die US-Notenbank über kurz oder lang ihre Geldpolitik straffen wird, steigen die Zinsen von Staatsanleihen nicht. Im Gegenteil, sie beginnen wieder zu fallen. Die Erklärungen, die Beobachter anbieten, unterscheiden sich zwar im Detail. Letztlich lassen sie sich aber auf ein Grundproblem zurückführen: Es ist schlicht zu viel Geld im Umlauf.

Der Markt für Staatsanleihen ist normalerweise ein Spiegelbild der erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung: Nimmt die Konjunktur Fahrt auf, ziehen die Renditen an. Denn ein Wirtschaftsaufschwung geht in aller Regel mit steigenden Preisen einher. Um den Preisauftrieb unter Kontrolle zu halten, erhöhen die Notenbanken im Aufschwung die Leitzinsen, was sich früher oder später am Rentenmarkt in höheren Renditen widerspiegelt. Zumeist reicht sogar die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik - doch in den USA scheint es dieses Mal anders zu sein.

Einen starken Zinsschub gab es in den Vereinigten Staaten letztmalig im vergangenen Jahr. Als Ex-Notenbankchef Ben Bernanke im Frühjahr 2013 andeutete, die Federal Reserve werde ihre Geldschwemme bald abebben lassen, stiegen die Renditen innerhalb weniger Wochen massiv an. Seither aber hat sich am Rentenmarkt nur wenig getan. Und das, obwohl die Fed auf Zinserhöhungskurs ist. Dass die Zinsen in der weltgrößten Volkswirtschaft spätestens im kommenden Jahr steigen werden, bezweifelt kaum ein Analyst. Normalerweise sollte sich dies in steigenden Renditen niederschlagen - aber: Fehlanzeige.

Noch abstruser wird das Bild angesichts der Aktienmarktrally: In den USA steigen die Börsenbarometer von einem Rekord zum nächsten. Unter normalen Umständen würden sich Investoren in diesem Umfeld von sicheren Anlagen wie Staatsanleihen verabschieden - und nicht noch zukaufen. "Wenn der Anleihemarkt etwas anderes macht als andere Märkte, erregt das Aufmerksamkeit", sagt Kathleen Brooks vom Handelshaus Gain Capital. Denn Anleiheinvestoren seien zumeist langfristig orientierte Anleger, die ihre Entscheidungen an volkswirtschaftlichen Trends ausrichteten.

Brooks erklärt die Renditeflaute unter anderem mit dem zuletzt schwachen Wachstum der USA. Die Stagnation zum Jahresstart habe Anleiheinvestoren nachdenklich gestimmt, ob die konjunkturelle Erholung nachhaltig sei. Die US-Volkswirte von der Deutschen Bank argumentieren ähnlich und weisen darauf hin, dass die Finanzmärkte gegenwärtig von einer nur sehr vorsichtigen Straffung der US-Geldpolitik ausgingen. Dies übe Druck auf die Langfristzinsen aus. Allerdings könne sich das schnell ändern: Sollte die US-Wirtschaft die Wachstumsflaute hinter sich lassen, dürften die Marktzinsen steigen. "Glaubt man der Historie, werden die Renditen rasch und stark anziehen", heißt es in einer Analyse.

Die vielleicht einleuchtendste Erklärung für den jüngsten Zinsrückgang liefern die Ökonomen von der HSH Nordbank: Das viele Geld, das die großen Notenbanken in den vergangenen Jahren in die Märkte gepumpt haben (und noch pumpen), sucht nach Anlagemöglichkeiten. Fündig werden Investoren nicht zuletzt im amerikanische Anleihemarkt, dem größten der Welt. Zumal ein Ende der Fahnenstange nicht in Sicht ist: Zwar dürften die angelsächsischen Notenbanken demnächst - wenn auch sachte und langsam - auf die Bremse treten. Die europäische und japanische Notenbank halten die geldpolitischen Zügel aber weiter extrem locker. Findet das billige Geld seinen Weg in die USA, dürfte auch dort der Renditedruck anhalten./bgf/jsl/fbr

--- Von Bernhard Funck, dpa-AFX ---

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