23.09.2019 17:10:00
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Grasser-Tweets - Richter geht gegen OGH-Urteil zum EGMR
Sein Mandant wende sich an den EGMR, weil er sein Recht auf freie Meinungsäußerung geltend machen wolle, so Anwalt Rienmüller. Der OGH hatte einen erstinstanzlichen Freispruch vom Oberlandesgericht Graz gekippt und den Richter wegen eines Dienstvergehens zu einer Geldstrafe von einem Monatsgehalt verurteilt. Zudem muss er die mit 600 Euro bestimmten Verfahrenskosten zahlen.
Stein des Anstoßes waren laut dem OGH-Entscheid vier Tweets über Ex-Finanzminster Karl-Heinz Grasser, von denen der Richter drei 2015 und einen 2017 von einem Account veröffentlichte. In einer Nachricht im Jahr 2015 schrieb er, sollte der ehemaligen Justizministerin Bandion der Prozess gegen Grasser zufallen, "wenn es denn je einen geben wird, so spricht es sich leichter von Minister zu Minister". In Beantwortung des Tweets "Warum haben in Deutschland politische Schnösel wie Grasser und Sebastian Kurz keine Chance? Andere Medienkultur?" schrieb er folgendes: "Das wundert mich auch seit Hannes A...."
Ein Tweet im Zusammenhang mit der Krimi-Serie "Tatort", in der es um Kriminelle ging, die wegen Unzulänglichkeiten in der Strafverfolgung nicht vor Gericht kamen, und in Folge von einem Scharfschützen im Weg der Selbstjustiz erschossen wurden, lautete: "Gäb ́s den tatort wirklich, wäre Grasser in Lebensgefahr" - diesen Tweet hat laut OGH-Spruch allerdings nicht der Richter abgesetzt, sondern sein Sohn, den er dazu ermächtigt habe.
Der OGH-Entscheid befasst sich genau mit der Wortwahl der Twitter-Nachrichten. Durch die Antwort auf den Tweet zu den "Schnöseln" Grasser und Kurz habe der Richter zu erkennen gegeben, dass er "beide Politiker für arrogante, eitle, freche und gleichgültige junge Männer halte. Auch wollte er seiner Überzeugung Ausdruck verleihen, dass sowohl der ehemalige Finanzminister als auch der damalige Außenminister zu Recht in der gewählten abfälligen Form bezeichnet würden und bei einer entsprechend höheren politischen Kultur, die im Gegensatz zu Österreich in Deutschland vorliege, keine entsprechenden Erfolge errungen hätten", heißt es seitens des OGH.
Auch auf die Einwände der Verteidigung, dass der Twitter-Account keinen Bezug zur Richtertätigkeit habe und außerdem der Vorname nur mit einem Buchstaben abgekürzt wurde, ging der OGH ein. Es bestehe eine "Gefahr der Zuordnung", insbesondere bei Strafrichtern eines Gerichtshofs erster Instanz, weil über sie häufig medial berichtet werde.
Im OGH-Entscheid heißt es unter anderem: "Die Öffentlichkeit erwartet von einem Richter, dass er sich auch ohne Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit bei öffentlichen Äußerungen an das (ihm beruflich obliegende) Sachlichkeitsgebot hält und weder Vorverurteilungen eines in einem Strafverfahren Beschuldigten vornimmt noch abfällige Bemerkungen über ein Regierungsmitglied oder eine Richterkollegin publiziert.
Denn das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Rechtsprechung bedingt, dass ein Richter seine äußere und innere Unabhängigkeit, seine Neutralität und erkennbare Distanz, die auch in aktuellen politischen Auseinandersetzungen spürbar bleiben muss (wobei eine sachliche Teilnahme an einem [partei-]politischen Diskurs vorliegend nicht in Rede steht), auf keine Weise in Frage stellt." In diesem Sinn haben Richter aufgrund ihrer besonderen Funktion im Rechtsstaat weitergehende Beschränkungen bei ihren Meinungsäußerungen hinzunehmen, entschied der OGH (2Ds4/19i), der hier als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte agierte.
Der Richter ist Ehemann jener Richterin, die seit Dezember 2017 den Strafprozess gegen Grasser und andere wegen Korruptionsverdachts führt. Grassers Verteidiger hatten vor Prozessbeginn wegen der Tweets ihres Ehemanns einen Ablehnungsantrag wegen Befangenheit gegen die Richterin gestellt, der aber nicht erfolgreich war. Aus den Kommentaren des Ehegatten seien keinesfalls Rückschlüsse auf Haltung und Ansichten der zuständigen Vorsitzenden zu ziehen, hieß es im Entscheid.
(Schluss) gru/tsk
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