16.07.2019 16:55:00

Grasser-Prozess - Zeuge: "Unter 960 dürfen wir nicht liegen"

Am 101. Tag im Grasser-Prozess war heute, Dienstagnachmittag, der damalige Finanzchef eines kleinen Konsortialpartners im Österreich-Konsortium, der OÖ Versicherung, als Zeuge geladen. Er sagte aus, dass bei einer Konsortiumssitzung über das zweite Angebot für die Bundeswohnungen jemand gesagt habe, "unter 960 dürfen wir nicht liegen".

Gemeint waren damit 960 Mio. Euro, so der Zeuge heute. Wer das damals gesagt habe und wann genau die Sitzung zum "Last and Final Offer (LAFO)" stattgefunden habe, das wisse er nicht mehr. Er vermute, die Aussage sei von einem Mitarbeiter der RLB OÖ gekommen. Auch im Ermittlungsverfahren hatte er das als Zeuge schon so ausgesagt.

Dies ist deswegen brisant, weil die 960 Mio. Euro von der mitbietenden CA Immo im ersten Angebot als Finanzierungszusage genannt worden waren. Laut Anklage kam diese Information dann vom Hauptangeklagten Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser über Walter Meischberger und Peter Hochegger zum Österreich-Konsortium - und das Konsortium gewann in der zweiten Runde knapp vor der CA Immo. Im Gegenzug sei dann ein Prozent des Kaufpreises, 9,6 Mio. Euro, als Schmiergeld geflossen. Grasser und Meischberger weisen alle Vorwürfe zurück. Meischberger sagte im Prozess, er habe die Zahl vom - mittlerweile verstorbenen - Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider erfahren, nicht von Grasser.

Eine Beraterrolle der angeklagten Lobbyisten Meischberger und Hochegger bei der Privatisierung der Bundeswohnungen konnte der Zeuge genauso wenig feststellen wie ein Zinsrisiko. Und auch von einer entscheidenden Rolle der Kärntner Landesregierung bei der Buwog-Privatisierung hatte er nichts bemerkt. Zur Einordnung: Hätte das Land Kärnten sein Vorkaufsrecht bei den Kärntner Eisenbahnerwohnungen (ESG) wahr genommen, dann hätte nicht das Österreich-Konsortium aus RLB OÖ, Immofinanz, OÖ Versicherung und anderen den Zuschlag erhalten, sondern der Mitbieter CA Immo. Wobei das Vorkaufsrecht der Kärntner gar nicht rechtlich verbindlich war, sondern vom damaligen Finanzminister Grasser dem seinerzeitigen Landeshauptmann Jörg Haider zugesagt wurde.

Auf die Frage von Grassers Verteidigerin, ob seiner Wahrnehmung nach die Privatisierung korrekt abgelaufen sei, sagte er - ja, aus damaliger Sicht. Richterin Marion Hohenecker hakte sofort nach, warum er dies zeitlich einschränke. "Weil viele Dinge im Raum stehen, die - wenn sie sich so abgespielt haben - nicht korrekt gewesen wären", sagte der Zeuge. Dass es ein Gerichtsverfahren gebe, spreche ja auch für begründete Zweifel, ob alles mit rechten Dingen abgelaufen sei.

Der Prozess wird morgen mit der erneuten Befragung von Heinrich Traumüller, ehemals Grassers Kabinettschef und später Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA), fortgesetzt.

(Schluss) gru/stf/tsk

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