27.03.2019 18:10:00
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Grasser-Prozess - Wieltsch mit "Gedächtnisirrtum" zu Vergabesitzung
Er habe einen "Gedächtnisirrtum" gehabt, versuchte der Zeuge heute zu erklären, warum er sich bei seiner Einvernahme im Jahr 2012 vor den Ermittlungsbehörden überhaupt nicht an das Treffen am Montag, 7. Juni 2004 im Gelben Salon des Finanzministeriums erinnerte, bei der die Abhaltung einer zweiten Bieterrunde entschieden wurde. Erst mit Hilfe eines alten Kalenders habe er seine Sitzungsteilnahme im Nachhinein rekonstruiert. Er habe an hunderten Aufsichtsratssitzungen teilgenommen und habe diese Sitzung nach den Jahren eben vergessen, meinte er.
Um diese entscheidenden Tage im Juni 2004 kreiste dann auch die Befragung des Zeugen, die den ganzen Prozesstag dauerte. Wieltsch bezeichnete die Sitzung als "ad-hoc-Treffen", eine Kommissionssitzung sei es sicher nicht gewesen. Dabei waren neben dem damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ/ÖVP), seinem Staatssekretär Alfred Finz (ÖVP), den Spitzenbeamten Heinrich Traumüller und Josef Mantler auch Vertreter von Lehman Brothers, die die Angebote der ersten Runde präsentierten. Auch Wieltsch war dabei, er konnte sich jedoch nur noch an Grasser und Traumüller als weitere Teilnehmer namentlich erinnern. Wer ihn damals zu dem Treffen am Montag 8.30 Uhr früh eingeladen habe, das wisse er beim besten Willen nicht mehr, beteuerte er mehrmals. Grasser selber sei es aber nicht gewesen.
Am Freitag davor, dem 4. Juni 2004, wurden die Angebote der Bieter für die Bundeswohnungen beim Notar geöffnet. Er sei daraufhin angerufen worden, von wem wisse er nicht mehr, sagte Wieltsch. Jedenfalls habe er damals bereits erfahren, dass bei einem Angebot noch Spielraum nach oben gewesen sei, weil ein Zinsänderungsrisiko von 60 Mio. als Preisabschlag vom Bieter genannt wurde. Das könne man durch eine Verkürzung der Frist für die Anbote nützen.
Dass sich am 7. Juni ein "ad-hoc-Treffen" und nicht die Vergabekommission mit den Anboten beschäftigte und für eine zweite Runde entschied, stellte Wieltsch heute als klar hin, weil seine Vergabekommission nur beratenden Charakter gehabt habe. Bei wichtigen Fragen habe er sich immer mit den die Privatisierung lenkenden Personen im Finanzministerium abgestimmt. Letztlich habe der Finanzminister die Verantwortung, sagte er. Dass eigentlich eine Vergabekommissionssitzung für den 8. Juni anberaumt war und dann von ihm auf den 13. Juni verschoben wurde, nach einer eingeschobenen zweiten Runde, das sei kein Affront gewesen, ließ er durchblicken: "Da braucht man nicht beleidigt sein."
Ungeklärt blieb weiterhin, wer zur Sitzung am 7. Juni ins Ministerium eingeladen hatte. Offen blieb auch, von wem die RLB OÖ schon am 7. Juni wusste, dass es eine zweite Runde geben werde, wenn doch der Prozessbrief von Lehman erst am 8. Juni verschickt wurde. Die RLB OÖ stellte jedoch schon am 7. Juni neue Berechnungen für den Kaufpreis an und schickte sie mittags per Fax an die Immofinanz. Von ihm habe der Bieter jedenfalls nichts erfahren, denn er habe gar nie mit den Bietern kommuniziert, sagte Wieltsch.
Die finanziell sehr eng beieinanderliegenden Anbote für die Bundeswohnungen in der zweiten Runde haben in der Vergabekommission am 13. Juni 2004 für Gesprächsstoff gesorgt. "Na klar war das Thema. Man hat sich schon gewundert, dass sie 1 Mio. Euro beieinander waren", sagte Wieltsch. Es gebe dafür "viele Erklärungen". Am 11. Juni gaben die beiden Bieter ihre finales Anbot ab. Die CA Immo bot 960 Mio. Euro und das Österreich-Konsortium (Immofinanz, RLB OÖ u.a.) offerierte 961 Mio. Euro. Das Land Kärnten verfügte für die Villacher Wohnungsgesellschaft ESG aber noch über ein Vorkaufsrecht.
Eine Erklärung sei, dass man den Bestbieter der ersten Runde genommen und die verlangten drei Prozent plus noch eine Summe draufgeschlagen habe, so Wieltsch. Die Ziffer habe man "irgendwie erfahren". Richterin Marion Hohenecker zeigte sich über die Aussagen des Zeugen verwundert: "Auf was gründen Sie diese Annahme?", bohrte sie nach. "Ich denke nur so, dass es so war. Es hat sich vielleicht herumgesprochen", erwiderte der Zeuge. "Gibt es Indizien?", wollte die Richterin wissen. "Nein, ich habe keine Indizien und Beweise."
Am Ende des Verhandlungstages rückte noch kurz der Telekom-Komplex in den Fokus. Der Anwalt des angeklagten ehemaligen Telekom-Austria-Vorstands Rudolf Fischer wollte von Wieltsch wissen, wie er die Entwicklung unter dem damaligen Telekom-Chef Heinz Sundt einschätze. Es habe eine "Beamtenproblematik" in der teilstaatlichen Telekom Austria gegeben. Sundt habe Grasser vorgeschlagen, dass die öffentliche Hand Kosten in Höhe von rund 250 Mio. Euro für verbeamtete Telekom-Mitarbeiter übernehmen soll. Grasser sei deswegen "not amused" gewesen. "Es gab in meiner Zeit keine sinnvolle Lösung dafür", so der Ex-ÖIAG-Vorstand Wieltsch.
Sein eigenes Verhältnis mit dem Finanzminister bezeichnete Wieltsch als "sehr korrektes, gutes Arbeitsverhältnis". Grasser sei aufgrund seiner Funktion "die Hauptversammlung der ÖIAG" gewesen, "jede geglückte Privatisierung" sei dem Minister ein Anliegen gewesen.
(Schluss) gru/cri/sp
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