24.09.2019 10:52:00

Grasser-Prozess - Verteidiger wirft Richterin wieder Befangenheit vor

Der 107. Verhandlungstag im Grasser-Prozess hat heute mit einem Ablehnungsantrag der Verteidigung des Ex-Finanzministers Karl-Heinz Grasser auf die vorsitzende Richterin Marion Hohenecker begonnen. Verteidiger Norbert Wess wirft ihr einmal mehr vor, wegen Grasser-kritischer Tweets ihres Ehemannes, der ebenfalls Richter ist, befangen zu sein.

Aktueller Grund für den heutigen Antrag der Verteidigung auf Ausschluss der Richterin aus dem laufenden Verfahren ist ein gestern publik gewordenes Urteil des Obersten Gerichtshof (OGH) über vier Tweets im Kurznachrichtendienst Twitter, wofür nun Hoheneckers Ehemann zu einer disziplinarrechtlichen Geldstrafe verurteilt wurde. Der Anwalt des Richters kündigte an, dass sich der Richter nun an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wenden werde. Er sieht sein Recht auf freie Meinungsäußerung nicht berücksichtigt.

Bereits zu Prozessbeginn im Dezember 2017 hatte die Verteidigung Grassers die Tweets ihres Ehemanns dazu genutzt, um Hohenecker eine Befangenheit vorzuwerfen. Hohenecker stellte damals klar: "Es entspricht nicht dem Zeitgeist, einer Richterin die Meinung des Ehemanns kritiklos umhängen zu wollen." Den Antrag auf Ablehnung der Richterin vor rund eindreiviertel Jahren hielt Anwalt Wess heute aufrecht, ergänzte ihn aber um neue Vorwürfe.

So brachte er auch den Stiefsohn der Richterin ins Spiel, der laut OGH-Urteil im September 2015 einen der vier Tweets veröffentlicht haben soll. Dem sei offenbar eine Diskussion zwischen Vater und Sohn über eine "Tatort"-Folge im Fernsehen vorausgegangen. Das würde belegen, dass "im Hause Hohenecker eine tiefe Abneigung" gegen Grasser herrsche. Der Verteidiger äußerte sich auch über die politische Haltung des Stiefsohns und dass ihr Ehemann auf Twitter im "regen Austausch" mit "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk und dem Nationalratsabgeordneten Peter Pilz stehe.

Dem Antrag auf Ablehnung der Richterin hat sich heute kein weiterer Angeklagter im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts angeschlossen. Beim ersten Ablehnungsantrag im Dezember 2017 hatte noch Walter Meischbergers Anwalt ebenfalls eine mutmaßliche Befangenheit der Richterin vorgebracht.

Oberstaatsanwalt Alexander Marchart ergriff daraufhin das Wort und kritisierte, dass Wess sogar den Sohn des Richters, der nicht Teil der Verhandlung hier ist, in die Verhandlung hineingezogen habe. Die Verteidigung von Grasser betreibe "Effekthascherei", wenn man etwas hundertmal wiederhole werde es nicht wahrer. Marchart lobte die Vorsitzführung der vorsitzenden Richterin als "objektiv" und "unvoreingenommen".

Gegenstand des heutigen Verhandlungstages im Prozess um die Privatisierung der Bundeswohnungen (u.a. Buwog) und der Einmietung der Finanzbehörden in den Terminal Tower Linz sollten heute drei Zeugenvernehmungen in der Causa Linz sein. Der Zeitplan hat sich nun etwas nach hinten verschoben.

Laut Anklage flossen in Linz 200.000 Euro vom Baukonzern Porr an den mitangeklagten Ex-FPÖ-Generalsekretär und Grasser-Trauzeugen Walter Meischberger. Während Meischberger angibt, er habe das Geld für seine Leistungen für das Bauunternehmen bekommen, heißt es in der Anklage dazu, das Geld sei eine Gegenleistung für Grassers Zustimmung zur Einmietung der Linzer Finanzbehörden in das Bürohaus am Bahnhof der oberösterreichischen Landeshauptstadt gewesen. Errichtet wurde der Büroturm vom Baukonzern Porr (Porr Solutions), Raiffeisen Leasing und Real-Treuhand.

Der Schöffensenat zog sich zur Beratung des Antrags zurück.

(Schluss) stf/gru/sp

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