09.04.2019 18:14:00

Grasser-Prozess - Buwog-Bieterverfahren mit Äpfeln, Birnen und Melone

Im Korruptionsprozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und weitere Angeklagte hat heute der damalige Berater der Investmentbank Lehman Brothers, Thomas Marsoner, als Zeuge ausgesagt. Lehman Brothers hatte den Privatisierungsprozess begleitet. Marsoner erläuterte das Verfahren und verteidigte die zweite Bieterrunde, die Lehman empfohlen habe.

Erst durch die zweite Bieterrunde bekam dann das Österreich-Konsortium mit Immofinanz und der RLB-OÖ die Oberhand vor der CA Immo, die in der ersten Bieterrunde vorne gelegen war. Die Immofinanz zahlte im Geheimen ein Prozent des Kaufpreises, also fast 10 Mio. Euro, geheim an Hochegger und Meischberger, der es laut Anklage auch mit Grasser und dem mitangeklagten Makler und damaligen Buwog-Aufsichtsratspräsidenten Ernst Karl Plech teilte - was Grasser und Plech bestreiten.

Die komplizierten Vorgänge beim Bieterverfahren um die Bundeswohnungen (Buwog u.a.) verglich der Zeuge Marsoner am heutigen 88. Prozesstag in der Befragung mit Obst. Dass in der ersten Runde das Österreich-Konsortium neben einem Preisangebot auch Besserungsscheine mit verschiedenen Optionen angeboten hatte, seien "Äpfel und Birnen" gewesen - doch die Birnen, also die schwer zu bewertenden Besserungsscheine, habe man nicht gewollt. Deswegen habe Lehman in der nächsten Runde die Besserungsscheine - die "Birnen" - ausgeschlossen, um nur "Äpfel" - also Geld - im Angebot zu bekommen, schilderte der Zeuge der Richterin Marion Hohenecker.

Auch ein Zinsänderungsrisiko während der gültigen Zeit des Angebots hatte die CA Immo in ihrem ersten Angebot angeführt, und dafür 60 Mio. Euro vom Anbotspreis abgeschlagen. Um dieses Geld zumindest zum Großteil noch für die Republik lukrieren zu können, wurde für die zweite Runde der "last and final offers" die Anbotsfrist deutlich verkürzt. "Wir wollten auch die Melone", zeigte sich Marsoner im Herunterbrechen von finanziellen Vorgängen auf einfache Sprache durchaus kreativ. Den Einwand des Privatbeteiligtenvertreters der CA Immo, Johannes Lehner, dass gar keine zweite Runde vorgesehen gewesen war, konterte der Zeuge mit dem Verweis auf "Luft nach oben" in der zweiten Bieterrunde bei den Angeboten.

Die Entscheidung für eine zweite Runde fiel bei einer Sitzung im Finanzministerium am 7. Juni 2004 - einen Tag vor der eigentlichen Sitzung der Vergabekommission. Marsoner war nicht Mitglied der Vergabekommission, aber nach eigenen Angaben bei allen wichtigen Sitzungen dabei - so auch am 7. Juni. Laut dem Zeugen waren neben den Lehman-Leuten noch mindestens zehn Personen bei der Sitzung, neben Grasser und seinem Staatssekretär Alfred Finz auch zwei Spitzenbeamte des Ministeriums. Er glaube, dass auch der damaligen Buwog-Aufsichtsratspräsident Ernst Karl Plech bei der Sitzung war, genau wisse er es aber nicht mehr, sagte der Zeuge.

Zum im Verfahren mitangeklagten Plech hatte Marsoner noch einige Erinnerungen: Zu Beginn des Privatisierungsprozesses habe er sich mit Mitarbeitern von Lehman bei Plech vorgestellt. Dieser habe damals "kryptische" Äußerungen gemacht, die er nicht verstanden habe, die aber wohl die Wichtigkeit von Plech unterstreichen sollten, sagte der Zeuge. Meischberger habe er "zum Glück" damals gar nicht gekannt, auch Hochegger nicht.

Den nun Hauptangeklagten Grasser habe er - schon vor dem Privatisierungsverfahren - über gemeinsame Freunde in einer Wörthersee-Bar kennengelernt, wo es zum "Du-Wort" gekommen sei. Bei der ersten Besprechung im Ministerium habe Grasser das nicht mehr gewusst, sich aber dann wieder an ihn erinnert. Im Lauf des Privatisierungsprozesses sei Grasser immer an den entscheidenden Punkten dabei gewesen und habe auf ihn einen "hochprofessionellen" Eindruck gemacht. Seit Grasser nicht mehr Minister ist habe er ihn ein oder zweimal in Kitzbühel und Umgebung getroffen.

Ein Verdacht auf ein Leck im höchst vertraulichen Bieterverfahren habe sich bei ihm in der zweiten Runde aufgetan, der Verdacht blieb aber ohne Konsequenzen, schilderte Marsoner. Denn während in der ersten Bieterrunde die CA Immo vor dem Österreich-Konsortium lag, war es dann in der zweiten Runde umgekehrt: Da lag das Österreich-Konsortium mit seinem Anbot von 961 Mio. Euro knapp über der CA Immo-Finanzierungszusage der ersten Runde von 960 Mio. Euro. Das Anbot der CA Immo habe 959 Mio. Euro betragen. "Natürlich hat sich der Verdacht aufgedrängt, dass die 961 aus einem Leak der 960 gekommen sein könnten", sagte der Zeuge. Denn die CA Immo hatte die Finanzierungszusage der Bank Austria ihrem Anbot beigelegt, und bei der Sitzung am 7. Juni 2004 im Gelben Salon des Finanzministeriums war diese Zusage von 960 Mio. Euro ein Thema. Konkrete Wahrnehmungen zu einem derartigen "Leck" im Bieterverfahren habe er aber nicht gehabt. "Wissen tu ich überhaupt nichts, aber bei der Zahl 961 drängt sich natürlich ein Verdacht auf."

Da niemand einen Anhaltspunkt hatte, dass eine geheime Information aus dem Verfahren geleakt worden wäre, "haben wir uns damals mit der Erklärung zufriedengegeben, dass das ein voll ausgereiztes Bieterverfahren mit zwei ähnlichen Bietern war", sagte Marsoner. Außerdem habe die CA Immo in der zweiten Runde eine noch höhere Finanzierungszusage der Bank Austria vorgelegt, die 960 seien damit eigentlich eine "technisch veraltete Zahl" gewesen.

Marsoner war heute der einzige Zeuge. Der Prozess wird morgen, Mittwoch, mit weiteren Zeugenbefragungen zum Thema des Kärntner Vorkaufsrechts auf die Villacher Eisenbahnerwohnungen ESG fortgesetzt.

(Schluss) gru/ivn

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