20.10.2013 18:03:31
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'Gauner!': Um Portugals Regierung wird es vor dem D-Day einsam
Schreckensberichte über Hunger und Not machen bei den Demonstranten die Runde. Auch Krebsbehandlungen, die aus Geldmangel unterbrochen wurden, sind ein Thema. Dabei hat das Euro-Krisenland das Schwerste noch vor sich. Im nächsten Jahr erlebt Portugal die größten Etatkürzungen seit 1977. Vor allem Beamte und Rentner soll es treffen. Rentnerin Marques sagt der Agentur Lusa: "Ich habe die Salazar-Diktatur erlebt, so schlimm war es aber nie."
Auf der Kundgebung sieht man trotz heftigen Regens Tausende Rentner, aber auch sehr viele Jugendliche und Familien mit kleinen Kindern. Die Demonstration findet demonstrativ vor der Brücke des 25. April statt, die an die Nelkenrevolution von 1974 gegen die Salazar-Diktatur erinnert. "Die extreme Armut hat in Portugal stark zugenommen. Es gibt nicht nur immer mehr Arme, sondern die Armen werden ärmer und ärmer", klagt der Präsident des katholischen Hilfswerks Caritas, Eugenio Fonseca. Die Präsidentin der Hilfsorganisation "Banco Alimentar", Isabel Jonet, weist darauf hin, dass "viele Kinder nur eine Mahlzeit pro Tag bekommen."
Seit über zehn Jahren leidet das Land unter einer Konjunkturflaute. Die jüngsten Steuererhöhungen, Gehalts- und Sozialkürzungen haben ihr Übriges getan. Inzwischen sind nicht mehr nur die Gewerkschaften, die linke Opposition, die Hilfsorganisationen und die Kirche der Überzeugung, dass man den Bürgern des ärmsten Landes Westeuropas keine weiteren Opfer mehr abverlangen kann.
Der vergangenen Dienstag ins Parlament eingebrachte Etatentwurf für 2014 wird auch von Unternehmern, konservativen Medien und sogar aus den Reihen der Mitte-Rechts-Regierung angeprangert. Je näher der D-Day im Juni 2014 rückt, an dem Portugal nach dem Hilfspaket von 78 Milliarden Euro von 2011 finanziell wieder auf eigenen Beinen stehen muss, desto einsamer wird es um Ministerpräsident Pedro Passos Coelho.
Die "Eiserne Lady" Manuela Ferreira Leite (72), eine angesehene erzkonservative Wirtschaftswissenschaftlerin und Vorgängerin von Passos an der Spitze der Sozialdemokratischen Partei (PSD), übt deutliche Kritik. Der neue Sparetat sei "sehr schädlich" für das Land und behindere Fortschritt und Wachstum. Passos könne "nur beten", dass viele der vorgesehenen Maßnahmen erneut vom Verfassungsgericht gekippt werden. Das sei seine einzige Chance, das Gesicht sowohl bei Geldgebern als auch bei den Portugiesen "einigermaßen zu wahren".
Finanzministerin María Luis Albuquerque beteuert, es gebe "keinen Plan B", der Sparplan müsse durchgezogen werden. Als Zehntausende Portugiesen am Samstag in Lissabon und Porto auf die Straßen gehen, um Ärger und Verzweiflung Luft zu machen, erklärt Passos am Rande des Iberoamerikagipfels im fernen Panama, der strenge Etat sei "aus Notfallgründen" beschlossen worden.
Aber die meisten Portugiesen, das wurde spätestens bei der schlimmen Abstrafung der Regierung bei den jüngsten Kommunalwahlen klar, denken genauso wie der frühere sozialistische Regierungschef und Präsident, Mário Soares. "Das sind viele Gauner in der Regierung, die werden alle noch vor dem nächsten Juni ihren Hut nehmen müssen", prophezeite Soares dieser Tage. Der 88-Jährige forderte: "Diese Herren muss man alle vor Gericht stellen."/er/DP/he

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