10.06.2013 19:06:30
|
EZB-Präsident geht kommunikativ in die Offensive
Von Andreas Plecko
Einen Tag vor der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Krisenpolitik der Eurozone geht Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), kommunikativ in die Offensive. In seinem ersten Interview im deutschen Fernsehen verteidigt der oberste Währungshüter das Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB. Im Interview mit der ZDF-Sendung heute journal zeigt Draghi außerdem Verständnis für die Nöte der deutschen Sparer.
"Die EZB hat in der Vergangenheit viel weniger Anleihen aufgekauft als andere Zentralbanken", sagt Draghi in dem vorab veröffentlichten Interview. Vor einem Jahr hatte die EZB zugesagt, im Notfall unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern zu kaufen. Diese Ankündigung ist besonders von Kritikern aus Deutschland heftig attackiert worden, hat aber zu einer gewissen Beruhigung in der Schuldenkrise geführt.
"Von diesem Programm wurde bisher kein einziger Euro ausgegeben", stellt Draghi einen Tag vor der öffentlichen Verhandlung unter anderem über dieses Programm vor dem Bundesverfassungsgericht klar. Trotzdem habe es seitdem große Fortschritte gegeben.
Der EZB-Präsident hält sein umstrittenes Programm für einen Erfolg: "Das Risiko des deutschen Steuerzahlers ist heute deutlich geringer als noch vor einem Jahr." Gleichzeitig macht Draghi die Grenzen der EZB-Politik deutlich. Sie würde nur eingreifen, wenn das Vertrauen in den Euro gestört ist, nicht um die Staaten zu finanzieren. "Wir werden nicht eingreifen, um die Zahlungsfähigkeit eines Landes generell zu sichern", sagt Draghi. Staaten könnten auch pleite gehen.
Draghi zeigt Verständnis für besorgte Sparer in Deutschland: "Die Sparer leiden, wegen der Krise, aber das ist zurzeit überall auf der Welt so." Die Inflation sei sehr niedrig, es gebe aber Millionen von Arbeitslosen. In dieser Situation könnten Zinsen nicht hoch sein. Wenn es wieder Vertrauen in die Erholung der Wirtschaft gebe, würden auch die Zinsen wieder steigen.
Draghi schließt aus, dass eine höhere Inflationsrate als Ausweg aus der Verschuldungskrise genutzt wird. "Das garantiere ich", erklärt Draghi im ZDF-Interview. Er beschreibt, wie schmerzlich für ihn und seine Familie die hohen Inflationsraten in Italien in den siebziger Jahren gewesen seien. "Ein großer Teil der Ersparnisse meiner Familie, wir waren drei Kinder, wurde in den sechziger und siebziger Jahren durch die Inflation in Italien vernichtet."
Das Verfassungsgericht verhandelt am Dienstag und Mittwoch über die Krisenpolitik der EZB. Nach dem positiven Eilentscheid zum Rettungsschirm ESM und zum europäischen Fiskalpakt vom September 2012 befassen sich die Karlsruher Richter im Hauptsacheverfahren unter anderem mit dem Programm zum Ankauf von Staatsanleihen.
Kontakt zum Autor: andreas.plecko@dowjones.com
DJG/apo/bam
(END) Dow Jones Newswires
June 10, 2013 12:36 ET (16:36 GMT)
Copyright (c) 2013 Dow Jones & Company, Inc.- - 12 36 PM EDT 06-10-13

Wenn Sie mehr über das Thema Aktien erfahren wollen, finden Sie in unserem Ratgeber viele interessante Artikel dazu!
Jetzt informieren!