29.08.2021 17:26:00

Experten: EU muss Kapitalmarktunion vorantreiben

Beim Forum Alpbach ist auch die Krux eines fehlenden europäischen Kapitalmarkts Thema. Die EU versucht eine Kapitalmarktunion aufzubauen, doch bisher gibt es noch keine. Der Austritt Großbritanniens hat den größten Kapitalmarkt aus der Union zu einem "Überseegebiet" werden lassen, der zweitgrößte Kapitalmarkt Schweiz war nie in der Union. "Wenn es so leicht wäre, wäre es schon getan", sagte EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness, sie will die Thematik aber voranbringen.

"Wir wollen eine starke Kapitalmarktunion schaffen, die es erlaubt, dass mehr Gelder in gesunde Unternehmen fließen", so McGuinness am Sonntagnachmittag in einer hochkarätigen Diskussionsrunde vor Zuhörern. "Gleichzeitig soll sie dazu dienen, gegen den Klimawandel und den Biodiversitätsverlust vorzugehen. Wir brauchen eine Kapitalmarktunion, um in jene Zukunft zu gelangen, von der alle sprechen", spielte sie auf eine grünere Zukunft an. Als Schwierigkeit machte die EU-Kommissarin die Nationalstaaten aus. Viele würden in Brüssel ihre Unterstützung zusagen, zu Hause aber anders handeln.

"Es ist politisch schwierig", sagte McGuinness, trotzdem sei sie optimistisch. Europa habe Kapitalmärkte in den Mitgliedsstaaten fragmentiert, aber keinen gemeinsamen. "Das kann nicht weitergehen." Es sei nicht nichts passiert aufgrund eines ersten Aktionsplans, "aber wir möchten viel mehr." Jedenfalls müsse die Kapitalmarktunion gemeinsam mit einer Weiterentwicklung der Bankenunion geschehen. "Wo es schwierig wird, ist dass sich die Systeme in den Mitgliedsstaaten ändern müssen, und die Politik handeln muss, um den Kapitalmarkt zu stärken." Forum-Alpbach-Präsident und Ex-Erste-Group-Chef Andreas Treichl kritisierte, dass die Politik egal welcher Couleur seit Jahren so tue, als wäre ein Investment in Aktien Spekulation.

Junge Gründer bekämen von Banken oft keine Kredite, weil diese als zu risikobehaftet eingestuft werden, sagte Maria Demertzis, Vizedirektorin des Brüsseler Bruegel-Thinktanks. Der Kapitalmarkt wäre aber risikobereiter. Auch sie hob die Bedeutung von Risikokapital für grüne Investitionen hervor. Diskussionsleiter Thomas Wieser, ehemaliger Leiter der Euro-Arbeitsgruppe, sagte, "es ist kein entweder oder". Es gehe darum, in der Kapitalbeschaffung den besten Mix zu erreichen - für Sparer, Verbraucher, Bürger, Unternehmen. Die Lukrierung von Kapital sei immer schon herausfordernd gewesen, die Herausforderungen würden aber immer größer. Hier sprach er etwa den ökologischen Wandel, die Überalterung der Gesellschaft an. "Damit kann nur umgegangen werden, wenn wir in Europa einen stärkeren Kapitalmarkt schaffen."

Der Verwaltungsratspräsident der Schweizer Großbank UBS und frühere Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel A. Weber, zeichnete ein relativ dunkles Bild rund um Krisen (Pandemie, Umwelt, Finanz), in deren Mitte sich die Welt befinde und forderte beim Aufbau eines Kapitalmarkts ein Klotzen statt Kleckern. Er forderte gleich einen 100 Billionen Euro schweren grünen Kapitalmarkt für Europa. Asien und die USA hätten einen großen Kapitalmarkt, Europa nicht. Wenn man darauf warte, dass deutsche Einlagebanken hier Impulse setzten, dann werde es nie einen großen Kapitalmarkt geben. Ein solcher sei aber notwendig, um die Attraktivität und die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu gewährleisten: "Entweder du sitzt bei Tisch oder du stehst auf der Menükarte." Es brauche auch einen "EU-Banking-Act", für einen einheitlichen Markt, ähnlich dem nationalen Banking Act der USA anno 1836.

Treichl wäre für den Anfang schon einmal zufrieden, wenn Finanzierungen aus dem Kapitalmarkt von rund 25 auf wenigstens 35 Prozent ansteigen würden. In den USA herrsche das umgekehrte Verhältnis wie in Europa: Dort würden rund 75 Prozent der Gelder an Firmen aus dem Kapitalmarkt kommen, 25 Prozent von Banken. "Bei uns haben die Menschen aber Angst vor Equity", bedauerte Treichl. "Warum ich optimistisch bin? Ich glaube die jungen Menschen werden das ändern", wandte er sich an anwesende Studenten.

Bei der Kapitalmarktunion handelt es sich um die Initiative der EU, mit der ein echter unionsweiter Binnenmarkt für Kapital geschaffen werden soll. Ihr Ziel ist es, dass Investitionen und Ersparnisse in sämtliche Mitgliedstaaten fließen, sodass sie Bürgerinnen und Bürgern, Investoren und Unternehmen zugutekommen.

phs/an

APA

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