04.01.2014 10:23:33

EU-feindliche Parteien gewinnen an Einfluss

   Von Naftali Bendavid und Gabriele Parussini

   Europapolitiker bereiten sich darauf vor, dass EU-feindliche Parteien bei Wahlen im Frühjahr deutlich an Stimmen hinzugewinnen. Das könnte die etablierten Parteien daran hindern, weitreichende Richtlinien umzusetzen.

   Wähler in den 28 Euro-Staaten stimmen am 22. bis 25. Mai diesen Jahres über das 751 Mitglieder starke Europaparlament ab. Populistische Parteien kämpfen hart um eigene Sitze, während eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet wird und sich zunehmend EU-feindliche Gefühle breitmachen.

   "Es besteht die Möglichkeit, dass sie in der Lage sein werden, wichtige Schritte zu blockieren", sagt der grüne Abgeordnete Jan Philipp Albrecht. "Das wäre schlimm, weil dadurch die Chance auf europäische Richtlinien und Lösungen geschmälert würde."

   Unterstützer der antieuropäischen Parteien sagen, dass Zugewinne bei den Europawahlen ihnen womöglich helfen, ihre Ziele auch auf nationaler Ebene besser durchzusetzen.

   Während die Schuldenkrise die Regierungen der Länder dazu zwang, unbeliebte Haushaltsentscheidungen zu treffen, hat die Unzufriedenheit der Wähler vor allem den Parteien genutzt, die strengere Einwanderungsauflagen und einen Ausstieg aus der Währungsunion fordern.

   Rechte Parteien europaweit im Aufwind

   Im vergangenen Jahr haben viele dieser Parteien an Zustimmung gewonnen. In Österreich konnte die rechte Freiheitliche Partei (FPÖ) bei Wahlen im September 20,7 Prozent der Stimmen für sich gewinnen. Die große Koalition zwischen den Sozialdemokraten und den Konservativen schaffte nur eine knappe Mehrheit von 50,9 Prozent. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die beiden Parteien zusammen keinen so kleinen Anteil an den Wählerstimmen mehr ergattert.

   Im Schweden und in anderen nordischen Ländern gewinnen einwanderungsfeindliche Parteien ebenfalls an Einfluss. Die rechte Demokratische Partei ist inzwischen die drittgrößte im Land und schmälert indes den Einfluss der regierenden Mitte-Rechts-Koalition.

   In Frankreich sagen einige Umfragen voraus, dass die von Marine Le Pen geführte Partei Front National bei den Wahlen im Mai den ersten Platz belegen und damit die regierenden Sozialisten und die zerstrittene konservative Opposition überholen wird.

   Uneinigkeit beim Thema Homosexualität

   Es ist jedoch noch nicht klar, ob die bunte Liste an nationalistischen Parteien, darunter die belgische Vlaams Belang und die italienische Liga Nord, ihre Differenzen lang genug ignorieren können, um eine Koalition zu formen. Uneinig sind sie zum Beispiel über den Umgang mit ethnischen Minderheiten und den Rechten für Homosexuelle.

   Im Europaparlament muss eine politische Gruppe mindestens 25 Mitglieder haben, die aus mindestens sieben Staaten stammen, um Gelder und einflussreiche Positionen erhalten zu können. Populistische Parteien versuchen jetzt, sich die wachsende Unterstützung aus ihren Heimatstaaten zunutze zu machen, um ein internationales Netzwerk zu formen.

   Le Pen und der holländische Chef der Freiheitspartei Geert Wilders sagten vergangenen Monat, dass sie sich bei den Wahlen im Mai zusammentun würden. Le Pen hat außerdem bereits Allianzen mit der österreichischen FPO geschmiedet. Wilders, dessen Partei bis zum vergangenen Jahr Teil der holländischen Regierungskoalition war, hat unter anderem eine Kooperation mit der Partei Vlaams Belang eingefädelt.

   Das soll die Parteien im Europaparlament handlungsfähig machen. "Man kann sich vorstellen, dass ganze Gebiete der nationalen Souveränität wiederhergestellt werden", sagt Le Pen. "Was in eine Richtung geht, geht auch in die andere."

   Bis zu 30 Prozent der Sitze für Euroskeptiker

   Einige politische Analysten schätzen, dass die Euroskeptiker bis zu 30 Prozent der Sitze im nächsten Parlament ergattern könnten. Das schließt jedoch relativ moderate Vertreter ein, zum Beispiel die, die mit der britischen Konservativen Partei verbunden sind. Eine so starke Fraktion würde es den EU-feindlichen Vertretern ermöglichen, Initiativen aus Bereichen wie Einwanderung, Finanzen und Umwelt zu blockieren.

   "Wir könnten zahlreich genug sein, um Richtlinien zu blockieren, die unserer Meinung nach nicht im Interesse unserer Bürger sind", sagt Le Pen.

   Jedoch sind bereits Risse in diesem Konstrukt zu sehen. Nigel Farage, Chef der einflussreichen britischen Unabhängigkeitspartei und langjähriger EU-Kritiker, will sich nicht mit Le Pens Partei verbünden. Le Pen selbst sagt, dass sie sich nicht mit extremeren Parteien wie der griechischen Partei Goldene Morgenröte und der ungarischen Jobbik zusammentun würde.

   Brüchige rechte Koalitionen

   Frühere Kooperationsversuche der Rechten in Brüssel scheiterten an nationalen Rivalitäten und an Differenzen in politischen Fragen. Eine rechtsextreme Koalition, die 2007 zustande kam, brach Monate später schon wieder auseinander, nachdem Alessandra Mussolini, eine italienischen Parlamentsabgeordnete und Enkelin des faschistischen Diktators, andeutete, dass in Italien lebende Rumänen Kriminelle seien.

   Selbst wenn die anti-europäischen Kräfte keine formale Koalition zustande bringen, könnten sie die EU-Institutionen zu einer Plattform für ihre Ziele machen. Mitglieder, die das Europaparlament von innen angreifen, könnten die Anstrengungen gefährden, das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen.

   "Das Verhalten einiger rechtspolitischer Mitglieder des Europaparlaments zeigt, dass sie nicht für die Demokratie dort sind", sagt Edward McMillan-Scott, ein britischer Parlamentsabgeordneter der Allianz aus Liberalen und Demokraten. "Ihr Ziel ist die Volksverführung, und sie nutzen das Parlament als Plattform."

   Ein Zugewinn der Rechten könnte auch bedeuten, dass das Parlament nur noch dann Gesetze verabschieden kann, wenn sich die Mitte-Rechts- und Mitte-Links-Parteien zusammentun. Einige Beobachter warnen, dass das zu vorsichtigen, halbgaren Gesetzen führen würde, die Ernüchterung gegenüber der EU nur noch verstärken würden.

   "Selbst wenn sie keine formale Koalition haben, werden sie die ganze Situation verderben", sagt Albrecht.

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