13.03.2022 15:00:39

Dutzende Tote bei russischem Raketenangriff nahe Lwiw

KIEW (dpa-AFX) - Russland hat bei seinem Krieg in der Ukraine erstmals auch einen folgenreichen Raketenangriff in unmittelbarer Nähe der polnischen Grenze verübt. Am Sonntagmorgen starben mindestens 35 Menschen bei der Attacke auf einen Truppenübungsplatz unweit der Stadt Lwiw. 134 weitere wurden nach ukrainischen Angaben verletzt. Unter anderem auch rund um Kiew gingen am 18. Tag der Invasion heftige Gefechte weiter. Die Lage mehrerer Hunderttausend Einwohner der belagerten Hafenstadt Mariupol bleibt dramatisch.

Der Angriff bei Lwiw hat eine besondere Brisanz. In der Stadt sammeln sich viele Flüchtlinge. Der Übungsplatz Jaworiw ist nur rund 15 Kilometer von der Grenze zu Polen entfernt. Auf ihm waren zumindest vor dem Krieg viele Nato-Ausbilder aktiv. Videos und Fotos zeigten schwere Zerstörungen. Gebietsgouverneur Maxym Kosyzkyj zufolge wurden mehr als 30 Raketen abgefeuert. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow forderte nach dem Angriff erneut eine Flugverbotszone über dem Land.

Kämpfe bei Kiew und Mariupol

Rund um die ukrainische Hauptstadt gab es nach ukrainischen Angaben heftige Kämpfe in den Ortschaften Irpin und Makariw. Ähnlich sei die Lage auch in anderen Dörfern, die humanitäre Lage werde immer schlechter. Allein am Samstag seien etwa 20 000 Menschen evakuiert worden. Im Südosten versuchen russische Einheiten den Angaben zufolge weiter eine Erstürmung der tagelang belagerten Hafenstadt Mariupol mit rund 400 000 Einwohnern. Nach ukrainischen Angaben starben in Mariupol bereits mehr als 1500 Zivilisten. Im Süden sammele sich russisches Militär an der Industriegroßstadt Krywyj Rih mit über 600 000 Einwohnern. Die Angaben waren unabhängig nicht überprüfbar.

Nato-Chef: Nächste Tage werden wohl größere Not bringen

Die Nato erwartet eine weitere Verschärfung der Kämpfe und der humanitären Notlage. "Wir sehen mit Schrecken die steigenden Zahlen ziviler Opfer und die sinnlose Zerstörung durch die russischen Kräfte", sagte der Generalsekretär der Militärallianz, Jens Stoltenberg, der Zeitung "Welt am Sonntag". Die Menschen in der Ukraine widersetzten sich der Invasion mit Mut und Entschiedenheit, "aber die kommenden Tage werden wahrscheinlich noch größere Not bringen", warnte er.

Stoltenberg lehnte erneut Forderungen ab, die Nato solle eine Flugverbotszone über der Ukraine durchsetzen. Das würde bedeuten, dass russische Kräfte angegriffen werden müssten. "Und damit würde man eine direkte Konfrontation und eine unkontrollierbare Eskalation riskieren. Wir müssen diesen Krieg beenden und ihn nicht noch ausweiten." Die Nato sei eine defensive Allianz. "Wir suchen keinen Konflikt mit Russland."

Russische Statthalterin und Berichte über entführte Bürgermeister

In der südukrainischen Stadt Melitopol setzte Russland erstmals in einem eroberten Gebiet eine eigene Statthalterin ein. Die Lokalabgeordnete Halyna Daniltschenko rief die Einwohner auf, sich "an die neue Realität" anzupassen. Zugleich verlangte sie, die Menschen sollten nicht mehr gegen die russischen Besatzungstruppen demonstrieren. Melitopols Bürgermeister Iwan Fedorow war zuvor nach Kiewer Angaben von der russischen Seite verschleppt worden - wie auch der Bürgermeister der Kleinstadt Dniprorudne.

Selenskyj droht Kollaborateuren

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj drohte Kollaborateuren Russlands in der Ukraine mit dem Tod. Wer sich von Angeboten der russischen Besatzer in Versuchung geführt sehe, unterschreibe damit sein eigenes Urteil, sagte er in einer in der Nacht zu Sonntag veröffentlichten Videobotschaft. "Das Urteil lautet, mehr als 12 000 Besatzern zu folgen, die nicht rechtzeitig verstehen konnten, warum die Ukraine nicht angegriffen werden sollte." Zuletzt hieß es von ukrainischer Seite, dass mehr als 12 000 russische Soldaten in dem Krieg in der Ukraine getötet worden seien.

Habeck sieht Fortschritte zu weniger Abhängigkeit von russischer Energie

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sieht Fortschritte bei den Bemühungen, die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Öl sowie von Kohle und Gas zu verringern. "Jeden Tag, ja faktisch jede Stunde verabschieden wir uns ein Stück weit von russischen Importen", sagte der Grünen-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Wenn es gelingt, sind wir im Herbst unabhängig von russischer Kohle und Ende des Jahres nahezu unabhängig von Öl aus Russland." Bei Gas sei es komplizierter, da Deutschland keine Importkapazitäten für Flüssigerdgas (LNG) habe. "Die schaffen wir jetzt unter Hochdruck."

Habeck bekräftigte zugleich seine ablehnende Haltung in der Diskussion um ein EU-Embargo russischer Energielieferungen: "Die Sanktionen müssen so sein, dass wir durchhalten können. Im Zweifel nicht nur drei Tage."

Fast 1,7 Millionen Flüchtlinge aus Ukraine in Polen

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich fast 1,7 Millionen Menschen in Polen in Sicherheit gebracht. Allein am Samstag hätten rund 79 800 Menschen die Grenze überschritten, teilte der polnische Grenzschutz am Sonntag mit.

Bürgerrechtler: Festnahmen bei Protesten in Russland

Bei neuen Demonstrationen gegen den Krieg in der Ukraine wurden in Russland nach Angaben von Bürgerrechtlern landesweit mehr als 60 Menschen festgenommen. Zu den Festnahmen sei es bei Protesten in 14 Städten gekommen, teilte die Organisation Owd-Info mit. Bilder und Videos in sozialen Netzwerken zeigten, wie Menschen von Polizisten mit Schutzhelmen und schwerer Ausrüstung weggezerrt wurden. Insgesamt wurden den Angaben von Owd-Info seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar mehr als 13 800 Menschen festgenommen.

In der Hauptstadt Moskau war ein bei Touristen beliebter Platz direkt am Kreml mit Metallgittern abgesperrt. Für den Fall neuer Proteste standen Hundertschaften der Sonderpolizei OMON bereit, teils mit schusssicheren Westen und Helmen. Der inhaftierte Kremlgegner Alexej Nawalny hatte aufgerufen, gegen den Krieg auf die Straße zu gehen./vee/DP/he

Eintrag hinzufügen
Hinweis: Sie möchten dieses Wertpapier günstig handeln? Sparen Sie sich unnötige Gebühren! Bei finanzen.net Brokerage handeln Sie Ihre Wertpapiere für nur 5 Euro Orderprovision* pro Trade? Hier informieren!
Es ist ein Fehler aufgetreten!