09.07.2014 17:57:30

Der Streit um die Finanzen von Bund und Ländern hat längst begonnen

   Von Andreas Kißler

   BERLIN--Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch im Roten Rathaus in Berlin mit den Ministerpräsidenten der sechs ostdeutschen Länder zusammenkam, ging es einmal wieder um den umstrittenen Länderfinanzausgleich. Das Thema verursacht schon seit Jahren heftige Diskussionen - nicht nur zwischen dem Bund und den Ländern, sondern vor allem unter den Ländern selbst. Nun droht ein hartes Gerangel über die künftigen Geldströme: Denn sowohl der Länderfinanzausgleich als auch der Solidarpakt laufen 2019 aus, und die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen steht in dieser Legislaturperiode fest auf der Tagesordnung.

   Ein Dauerstreit um die Neuordnung der Finanzströme könnte spätestens die zweite Hälfte der Legislaturperiode entscheidend bestimmen - und den Elan des Kabinetts noch mehr lähmen. Hinter den Kulissen hat der Streit um die Finanzen von Bund und Ländern schon längst begonnen.

   Darüber, wie es ab 2020 weitergehen soll, laufen die Gespräche in einer Arbeitsgruppe. Doch die jüngsten Forderungen der Länder und Kommunen lassen schon erahnen, wie schwer die Verhandlungen am Ende werden könnten. Kaum hatte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) seine Pläne für eine Pkw-Maut vorgestellt, wurde schon die Forderung erhoben, an den Einnahmen auch die Länder angemessen zu beteiligen. Und kaum sah es zwischenzeitlich einmal so aus, als habe Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) durch höhere Steuereinnahmen mehr Geld zu verteilen als gedacht, wurde eine Beteiligung der Länder an zusätzlichen Budgetgewinnen verlangt.

   Bereits bei den Koalitionsverhandlungen setzten die Länder viele Forderungen gegenüber dem Bund durch, obwohl dessen Haushaltslage klammer ist als die vieler Länder. Heraus kamen Entlastungen von sechs Milliarden Euro für die Finanzierung von Krippen, Kitas und Schulen in dieser Legislaturperiode und ab 2015 von einer Milliarde jährlich für Eingliederungshilfen. Schon damals stritten Bund und Länder: Die Länder wollten die Milliarde schon 2014, der Bund sagte Nein.

   Am Mittwoch nun verlangten auch die Ost-Ministerpräsidenten ihr Stück des Finanzkuchens: Sie forderten bei dem Treffen mit Merkel Hilfen auch nach dem Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019, denn ein Großteil der strukturschwachen Gebiete liege nun einmal in Ostdeutschland, und verlangten mehr Verkehrs-Investitionen. Und Merkel räumte ein, es gebe nach wie vor "viele strukturelle Unterschiede", sodass bei der Reform der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern spezielle Regelungen gefunden werden müssten.

   CDU, CSU und SPD haben schon in ihrem Koalitionsvertrag minutiös festgehalten, welchen Weg die Reform der Finanzströme ihrer Ansicht nach gehen soll. "Spätestens Ende 2019 müssen die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu geordnet sein", heißt es dort. "In dieser Legislaturperiode müssen dafür die Weichen gestellt werden."

   Bund, Länder und Gemeinden sollen bis zur Mitte der Legislaturperiode Ergebnisse zu einem umfangreichen Themenkatalog vorlegen, den der Koalitionsvertrag vorgibt: Er nennt neben der Reform des Länderfinanzausgleichs und der Zukunft des Solidaritätszuschlags auch die Schaffung von Voraussetzungen für die dauerhafte Einhaltung der neuen Schuldenregel in den Ländern, die Einnahmen- und Aufgabenverteilung sowie Eigenverantwortung der föderalen Ebenen und den Komplex "Altschulden, Finanzierungsmodalitäten und Zinslasten".

   Doch um dieses umfangreiche Paket zu verhandeln, fehlt derzeit ein Ansatz, der Bund und Ländern gleichermaßen Perspektiven eröffnen würde. Bisher klagen die Länder überwiegend über die Nichteinhaltung der Zusagen des Bundes, und der wiederum über seine viel schlechtere Haushaltslage gegenüber den Ländern. Schäuble lässt kaum eine Gelegenheit aus, um klarzumachen, dass er angesichts seiner Budgetziele keine weiteren Spielräume für Wohltaten des Bundes gegenüber den Ländern sieht.

   Ein vielleicht eleganter Einstieg in die Diskussion könnte nun mit dem Vorschlag einiger SPD-Länder gelingen, den Solidaritätszuschlag künftig zur Altschuldentilgung zu nutzen. Zwar ist dagegen schon heftiger Widerstand aus Unions-regierten Ländern laut geworden, doch gibt es dazu offenbar kaum Alternativen. Denn eine völlige Streichung der Sonderabgabe ist nicht geplant, und der ansonsten diskutierte Vorschlag einer Eingliederung des Soli in die Einkommensteuer dürfte den Bürgern in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen nur schwer zu vermitteln sein.

   Gelingt hierzu eine Einigung, könnte das zumindest ein Signal sein, dass Bewegung in den Finanzströmen möglich ist. Der Bund kassiert über den Soli derzeit mehr Geld, als für den eigentlichen Zweck vorgesehen war, und einen Verzicht darauf würde er sich vermutlich abkaufen lassen - mit dem Zugeständnis größerer Kompetenzen in bisher den Ländern vorbehaltenen Bereichen.

   Doch jede Veränderung in den vertikalen Finanzbeziehungen von Bund und Ländern bedeutet noch nichts für die horizontalen Beziehungen der Länder untereinander. Demonstrativ forderte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) nach dem Treffen mit Merkel, der Osten dürfe durch Veränderungen bei den Finanzströmen "nicht zusätzlich belastet werden". Doch aus anderen Ländern kommt dagegen ebenso demonstrativer Widerstand. Bayern und Hessen haben mit ihrer Klage gegen den Finanzausgleich mehr als deutlich gemacht, dass sie diesen Weg nicht mitgehen wollen.

   Wissenschaftler sehen deshalb eine eigentlich nötige grundlegende Reform der Finanzbeziehungen ernsthaft bereits gefährdet. "Es wäre sinnvoll, zuerst die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen und darauf aufbauend die Umverteilung zwischen den Ländern systematisch zu reformieren", erklärte die Finanzexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Kristina van Deuverden.

   Doch die Interessen der Länder liegen nach Ansicht der Expertin so weit auseinander, dass die Chance auf eine grundlegende Neuordnung nur gering sein dürfte. "Die Geberländer werden bemüht sein, ihre Leistungen zu reduzieren, während die Empfängerländer ein Interesse an möglichst hohen Transfers haben". Die wahrscheinliche Alternative zu einer grundlegenden Reform seien deshalb graduelle Eingriffe an der einen oder anderen Stelle. Doch "kleinteilige Eingriffe lösen die Probleme nicht", warnt das DIW. Der schwelende Streit um die richtige Mittelausstattung lässt für die Neuordnung der Finanzbeziehungen vor diesem Hintergrund nichts Gutes erwarten.

   Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

   (mit Material von AFP)

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   July 09, 2014 11:28 ET (15:28 GMT)

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