15.10.2013 22:59:58

Badische Neueste Nachrichten: Wichtige Weichenstellung

Karlsruhe (ots) - Nach der jüngsten Erklärung des inhaftierten kurdischen Rebellenchefs Abdullah Öcalan können Türken und Kurden weiter über einen Friedensschluss nach fast drei Jahrzehnten Krieg reden. Dass diese Verhandlungen überhaupt stattfinden, ist angesichts der langen Tradition einer Assimilierungs- und Verleugnungspolitik des türkischen Staates der kurdischen Minderheit gegenüber eine wichtige Weichenstellung und ein Verdienst der Regierung Erdogan. Bisher war Ankara allerdings davon ausgegangen, dass der Staat in den Gesprächen mit Öcalan am längeren Hebel sitzt. Nun zeigt sich immer mehr, dass auch der inhaftierte PKK-Chef ein wirksames Druckmittel besitzt: Sollte der bei den Kurden nach wie vor hoch angesehene Öcalan die Verhandlungen mit der Türkei für gescheitert erklären, stünde das Land vor einer Rückkehr der Gewalt. Und das wäre für Erdogan angesichts kommender Wahlkämpfe politisch sehr riskant. Der Ministerpräsident hat viel politisches Kapital in den Friedensprozess investiert. Deshalb hat Öcalans Wort Gewicht - nicht nur bei den Kurden, sondern auch in Ankara. Vor einem Jahr war die Nachricht von Verhandlungen zwischen dem Staat und Öcalan eine Sensation, heute gehören die Gespräche zur türkisch-kurdischen Realität. Beide Seiten haben eigene politische Interessen, aber beide würden von einem Friedensschluss mehr profitieren als von einem neuen Krieg. Trotz einiger Rückschläge haben es die Verhandlungspartner bisher verstanden, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Damit das auch in Zukunft nicht geschieht, fordert Öcalan nun weitere Zugeständnisse vom türkischen Staat. Wahltaktische Überlegungen dürften Erdogan davon abhalten, allzu eilig auf Öcalan und die Kurden zuzugehen; abwürgen will der Ministerpräsident den Friedensprozess aber auch nicht, die Gespräche mit Öcalan laufen weiter. Auf diese Weise wird der als "Terroristenchef" titulierte Öcalan für die Türkei immer mehr zu einem Partner, auch wenn türkische Politiker das niemals offen sagen würden. Doch auch diese Entwicklung gehört zur neuen türkisch-kurdischen Realität.

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