06.01.2014 15:48:34
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AUSBLICK/Niedrige Inflation bleibt Sorgenkind der EZB
Von Hans Bentzien
FRANKFURT--Von Inflation kann im Euroraum derzeit eigentlich keine Rede sein. Und genau das ist das Problem - auch für die Europäische Zentralbank (EZB), deren Rat am Donnerstag erstmals im neuen Jahr in Frankfurt zusammenkommt. Zwar hat sich die Inflation in der Eurozone im November gerade um 0,2 Prozentpunkte auf 0,9 Prozent erholt, doch das könnte es auch schon gewesen sein: Für Dezember deutet sich eine Stagnation an, womit die Diskussion über Deflationsrisiken anhalten dürfte. Am Dienstag legt Eurostat seine Schätzung für Dezember vor.
Alle 40 von Dow Jones Newswires befragten Experten erwarten, dass die EZB ihren Leitzins unverändert lässt. Auch bei den Notfallinstrumenten der EZB dürfte alles beim Alten bleiben. Nach Meinung von Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe, wird Präsident Mario Draghi aber "auf jeden Fall auf die EZB-Artillerie" hinweisen. Eventuell könnte es auch Hinweise zu neuen Liquiditätsmaßnahmen im Frühjahr geben.
Auch in Deutschland steigen die Lebenshaltungskosten unter dem Strich weiterhin schwach, allerdings müssen die Verbraucher für Lebensmittel deutlich mehr bezahlen. Im Dezember kletterten die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 1,4 Prozent, wie das Statistische Bundesamt auf der Basis von vorläufigen Berechnungen berichtete. Im November hatte die Jahresteuerung 1,3 Prozent betragen.
Bei dem für europäische Vergleichszwecke berechneten Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) gab es indes einen spürbaren Rückgang auf 1,2 von 1,6 Prozent. Grund ist, dass beim Teilindex für die Beherbergungen wegen einer neuberechneten Komponente erstmals seit Januar des vorigen Jahres der verzerrende Vorjahresvergleich aus der Jahresrate herausgefallen ist, der die Teuerung mal mehr, mal weniger nach oben verzerrt hat.
Dieser Effekt könnte auch die Inflation im gesamten Euroraum ein wenig drücken. Commerzbank-Volkswirt Christoph Weil sieht aber auch Aufwärtsrisiken für die Inflation, und zwar aus Italien, wo die im Oktober wirksam gewordene Mehrwertsteuererhöhung um zwei Prozentpunkte bisher noch keine Spuren in den Verbraucherpreisen hinterlassen hat. In Spanien verharrte die Inflation auf dem äußerst niedrigen Niveau von 0,3 Prozent.
Ökonom Uwe Dürkop von der Landesbank Berlin nimmt an, dass sich die Preisbewegungen in Deutschland und Italien mehr oder weniger neutralisieren werden. Er rechnet deshalb damit, dass die Euroraum-Teuerung im Dezember bei 0,9 Prozent bleiben wird.
Für die EZB, die eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent anstrebt, ist das keine wirklich gute Nachricht. Zwar orientiert sich ihre Politik an den mittelfristigen Inflationsaussichten, doch hängen die stark von den Inflationserwartungen ab. Und liegt die kurzfristige Inflation über längere Zeit bei einem Prozent, kann das die Erwartungen entsprechend beeinflussen.
Die Zentralbank wird zwar nicht müde zu betonen, dass das bisher nicht der Fall ist. Aber ihre eigenen Experten rechnen für 2014 und 2015 nur noch mit Inflationsraten von 1,1 und 1,3 Prozent, was der EZB-Präsident freundlich mit "on the low side of 2 percent" umschreibt. Zudem entsprechen diese ohnehin schon niedrigen Werte nur "grob" dem Inflationsszenario der EZB, wie Draghi nach der jüngsten zinspolitischen Sitzung kryptisch andeutete.
Nicht nur das deutet darauf hin, dass Draghi bei der nächsten Ratssitzung sein Mantra aufgeben könnte, dass die "Risiken für die Preisstabilität weitgehend ausgeglichen" sind. Bei seiner vierteljährlichen Anhörung vor dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments hat Draghi diese Textpassage kürzlich gleich ganz weggelassen - ein absolutes Novum.
Warum er das getan hat, wollte die EZB auf Anfrage nicht verraten. Ein Sprecher sagte lediglich: "Die Tatsache, dass dieser Satz nicht enthalten war, bedeutet nicht, dass sich die Einschätzung der EZB geändert hat." Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Unterdessen hat sich das Geldmengenwachstum in der Eurozone im November wieder etwas beschleunigt, die Kreditvergabe an den Privatsektor sank aber noch stärker als im Vormonat. Wie die EZB mitteilte, stieg das Geldmengenaggregat M3 gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,5 Prozent. Im Oktober war die Rate überraschend auf 1,4 Prozent gefallen, was als Anzeichen für einen weiter sinkenden Inflationsdruck gewertet worden war. Volkswirte hatten erwartet, dass die Rate im November bei 1,4 Prozent verharren würde.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@wsj.com
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January 06, 2014 09:15 ET (14:15 GMT)
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