19.01.2015 16:30:33
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AUSBLICK/Draghi bläst zum Staatsanleihekauf
Von Hans Bentzien
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) wird sich ab Mittwoch mit der Frage befassen, ob die bisher bewirkte geldpolitische Lockerung ausreicht, um den Deflationsrisiken für den Euroraum zu begegnen. Es ist offensichtlich, dass ein Großteil des EZB-Rats diese Frage mit "nein" beantworten wird. Vieles spricht deshalb für ein groß angelegtes Programm zum Ankauf von Wertpapieren, darunter Staatsanleihen. Dagegen spricht, dass EZB-Präsident Mario Draghi bei einem so bedeutungsschweren Schritt gerne eine möglichst deutliche Mehrheit hinter sich hätte.
Die Zinsentscheidung des EZB-Rat wird wie immer am Donnerstag um 13.45 Uhr bekannt gegeben. Eine Änderung erwarten die von Dow Jones Newswires befragten Ökonomen jedoch nicht. Der Hauptrefinanzierungssatz liegt bei 0,05 Prozent, der Spitzenrefinanzierungssatz bei 0,30 Prozent und der Einlagensatz bei minus 0,20 Prozent. Spannender wird die gegen 14.30 Uhr beginnende Pressekonferenz mit Draghi, in der er die Kaufpläne mitteilen wird.
Von den 21 stimmberechtigten Ratsmitgliedern haben sich die Direktoriumsmitglieder Yves Mersch und Sabine Lautenschläger sowie die nationalen Notenbankgouverneure Jens Weidmann (Deutschland), Klaas Knot (Niederlande), Ardo Hansson (Estland) und Ilmars Rimsevics (Lettland) kritisch zu Staatsanleihekäufen geäußert. Knot fehlt rotationsbedingt, so dass höchstens fünf von 21 Stimmberechtigten mit "nein" votieren dürften. Draghi hatte nach der jüngsten Sitzung aber deutlich gemacht, dass er Einstimmigkeit nicht für erforderlich hält.
Allerdings deuten Äußerungen von EZB-Direktor Benoit Coeure darauf hin, dass der EZB-Führungszirkel die Zahl der Abweichler möglichst gering halten will. Analysten vermuten daher, dass Draghi den Zweiflern ähnlich wie bei den Beschlüssen zum OMT-Programm oder zu den sehr langfristigen Refinanzierungsgeschäften entgegenkommen wird.
Zwei Möglichkeiten hat der wichtigste Zauderer im EZB-Rat, Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, bereits selbst in den Raum gestellt: Die EZB kauft nur Anleihen erstrangiger Bonität - das wären dann die Staatsanleihen Deutschlands, Finnlands, Österreichs, Luxemburgs und der Niederlande. Dagegen spricht allerdings die Anmerkung von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet, in diesem Falle müsse die EZB weitaus mehr Papiere ankaufen, als wenn sie in voller Breite kaufe.
Die andere Möglichkeit: Jede Zentralbank kauft entsprechend dem EZB-Kapitalschlüssel die Anleihen des eigenen Staats und das auf eigene Rechnung. Damit würde die EZB dem Vorwurf der Umverteilung fiskalischer Risiken entgehen. Vorteil wäre, dass Draghi auf diesem Wege eine sehr breite Zustimmung sicher wäre. Das wiederum würde den Nutzen von QE erhöhen, das ja auch auf eine Stärkung des öffentlichen Vertrauens in die Zentralbank zielt.
Nachteilig wäre allerdings, dass ein derartiges Vorgehen den Eindruck erzeugen könnte, dass sich die Eurozone langsam auflöst.
Die nächste Frage ist: Wie viel kauft die EZB wovon? EZB-Präsident Draghi hat nach der vorherigen Sitzung scherzhaft gesagt, die EZB könne alles außer Gold kaufen. Hauptbestandteil dürften aber fraglos Staatsanleihen sein, weil alleine sie in ausreichender Menge vorhanden sind. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die EZB auch Unternehmensanleihen erwirbt. Bankanleihen sind wegen der neuen Rolle der EZB als Bankenaufseherin kritisch zu sehen, Fremdwährungspapiere unwahrscheinlich - ein Ankauf etwa von US-Treasuries käme einer Devisenmarktintervention gleich.
Welche Mengen kauft die EZB? Eingepreist ist, dass die Zentralbank ihr Bilanzvolumen auf die Größe von Anfang 2012 ausdehnen will. Nach Berechnung von Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert müsste sie dazu Papiere für 700 Milliarden Euro aufkaufen. Der Konsenswert liegt derzeit bei 550 Milliarden. Manche Beobachter halten inzwischen aber ein höheres Ankaufvolumen für wahrscheinlich: Erstens, weil sich der Inflationsausblick seit Ende November weiter eingetrübt hat und zweitens - so meint zum Beispiel UBS-Analyst Beat Siegenthaler -, weil die EZB die Märkte überraschen will.
Allerdings könnte es noch eine weitere, relative Obergrenze geben. Laut Spiegel-Bericht plant die EZB Käufe bis zum Maximalvolumen von 20 bis 25 Prozent der ausstehenden Staatsschuld. Andernfalls würde die EZB nach dem Kapitalschlüssel die Staatsanleihen von kleinen Ländern wie Luxemburg komplett aufkaufen.
Eine ebenfalls nicht ganz unwichtige Frage ist: Wann beginnt die EZB zu kaufen? Die meisten Beobachter rechnen damit, dass die Zentralbank im ersten Quartal ihre Ankäufe beginnen wird. Für den Donnerstag wird ein Grundsatzbeschluss erwartet, dem die EZB möglicherweise im März Details folgen lässt.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
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January 19, 2015 10:00 ET (15:00 GMT)
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