26.11.2015 16:45:45
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ANALYSE/Ein bisschen Krieg an der Seite Frankreichs
Von Stefan Lange, Andreas Kissler und Christian Grimm
BERLIN (Dow Jones)--Deutschland beteiligt sich auf Drängen Frankreichs am Kampfeinsatz gegen die Dschihadisten des Islamischen Staates. Die Luftwaffe wird aber keine Bomben auf die Stellungen des IS werfen, sondern Unterstützungsleistungen übernehmen. Konkret geht es um die Luftaufklärung mit Tornado-Kampfjets und Satelliten sowie das Betanken von Flugzeugen in der Luft.
Die Mission der Luftwaffe, die der Bundestag noch absegnen muss, hat aber eher symbolischen Charakter. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte den französischen Staatschef Francois Hollande als wichtigsten Verbündeten nicht nur mit dem vergrößerten Einsatz in Afrika abspeisen.
Die Europäer haben sich nach den Terroranschlägen feierlich verpflichtet, den Franzosen ohne Wenn und Aber beizustehen. Höheren Nutzen als die Aufklärung in Syrien hat für Paris die aufgestockte Mali-Mission der Bundeswehr, die den überlasteten französischen Kräften aushelfen soll.
Die 5 wichtigsten Punkte zum neuen Auftrag für die Truppe im Überblick:
1. Was soll die Luftwaffe in Syrien leisten? Die Bundeswehr soll der französischen Armee bei der Aufklärung von Stellungen des Islamischen Staates helfen. Dazu will Angela Merkel Aufklärungsjets vom Typ Tornado abordnen. Als Richtgröße könnte dafür der Afghanistan-Einsatz dienen, als Deutschland sechs Maschinen an den Hindukusch verlegte.Außerdem soll den Franzosen mit den Daten aus Spionagesatelliten sowie mit Tankflugzeugen unter die Arme gegriffen werden. Hinzu kommt nach den Plänen des Militärs eine Fregatte der Marine, um den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle zu schützen. "Die Frage ist, was bringt das?", erklärte Sicherheitsexperte Christian Mölling vom German Marshall Fund. Denn eigentlich verfügen die USA über Gerät und Fähigkeiten in der Region, da sie den IS bereits bekämpfen. "Die Luftunterstützung hat symbolischen Charakter", meint Mölling daher.
2. Wird Deutschland womöglich in einen Krieg am Boden gezwungen? Dass die Bundeswehr sich mit Bodentruppen an dem Kampf gegen den IS beteiligen könnte, gilt als extrem unwahrscheinlich. Politiker aller Parteien haben dies bisher ausgeschlossen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier lehnt einen Einsatz westlicher Bodentruppen generell ab. "Ich kenne niemanden, der dort mit westlichen Bodentruppen reingehen will", sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. Seine Begründung: Der IS wünsche sich regelrecht die "verhassten westlichen Truppen" in Syrien, um diesen mit Selbstmordattentätern zu begegnen.Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), sagte deshalb, den Kampf am Boden gegen den IS "müssen regionale Gruppen und Truppen dort führen".
Allerdings gibt es dazu in der Union unterschiedliche Meinungen. So betonte der CDU-Außenpolitiker Karl-Georg Wellmann erst am Donnerstag, letztlich würden auch "in der einen oder anderen Form Bodentruppen" nötig sein. Aber "das werden sicherlich nicht deutsche Bodentruppen sein", sagte Wellmann im Deutschlandfunk. "Das kann ich mir nicht vorstellen."
3. Der Einsatz in Mali? Die Bundeswehr will ihren Einsatz in Mali ausweiten und damit Frankreich an dieser Stelle entlasten. Derzeit ist die Bundeswehr im Rahmen der dortigen Mission MINUSMA mit zehn Soldaten vertreten, das Kontingent soll auf 650 Soldaten aufgestockt werden. Erste Erkundungen gab es nach Angaben des Verteidigungsministeriums bereits, letzte Feinerkundungen sind kurz vor Weihnachten geplant.Die Bundeswehr wird mit schwerer Bewaffnung in Mali anrücken - im Jargon ist von "robusten Fähigkeiten" die Rede. Denn: "Es ist ein gefährliches Umfeld. Das muss man sagen", erklärte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums bereits. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) begründet die Ausweitung des Einsatzes auch damit, dass ein stabiles Mali letztendlich ein stabiles Umfeld zur Folge habe - ein stabiles Umfeld für Frankreich und für Europa insgesamt. Gefragt sind für den Kampf gegen die Islamisten aus dem Maghreb Spezialkräfte wie das KSK und Einheiten wie Fallschirmjäger oder Gebirgstruppen.
4. Wann beginnt der Einsatz? Für die Entsendung der Armee braucht die Regierung auf jeden Fall die Zustimmung des Bundestags. Mit der riesigen Mehrheit der Großen Koalition ist das kein Hindernis für die Kanzlerin. Auch SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hat bereits seine Unterstützung erklärt. Deutschland schulde seinem engsten Verbündeten in diesen Zeiten die tatkräftige Hilfe. Schon nächste Woche sollen sich die Abgeordneten mit dem Einsatz das erste Mal befassen. Mitte Dezember könnten sie dann grünes Licht geben.Mehr Legitimität würde der Einsatz durch ein Mandat der Vereinten Nationen erhalten, das sich auch viele deutsche Parlamentarier wünschen. Es ist aber keine Voraussetzung für die Mission. Weil auch Russland in Syrien massiv interveniert, wird der Kreml ein Votum im UN-Sicherheitsrat wohl nicht blockieren. Es sei denn, die Spannungen nach dem Abschuss eines russischen Bombers durch das Nato-Land Türkei vergiften die Beziehungen. Nach einer ersten Aufwallung bemühen sich die Präsidenten in Moskau, Ankara und Washington aber um Schadensbegrenzung.
5. Gibt es eine weitreichende Strategie gegen den IS? Nein. Mit drastischen Worten schilderte der pensionierte französische General Vincent Desportes die fehlende Vision, wie Syrien befriedet werden soll. "Es gibt keine Strategie, keine Vision und auch keine Konvergenz zwischen den Ländern. Man sitzt zusammen, ist sich aber über sehr wenige Dinge einig", sagte der Militär der Zeitschrift Challenges.Präsident Hollande versucht derzeit in einem wahren Marathon, eine Koalition im Schulterschluss mit Russland gegen die Dschihadisten zu schmieden. Dass sich Amerikaner und Russen als Großmächte jedoch einem gemeinsamen Generalstab unterordnen, ist unwahrscheinlich. Zu verschieden sind die Vorstellungen über die Zukunft Syriens. Während für den Westen Präsident Baschar al-Assad eine persona non grata ist, hält Putin dem Machthaber die Treue.
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November 26, 2015 10:15 ET (15:15 GMT)
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