05.03.2023 06:00:00

Agenda Austria: Mehr Kinderbetreuung ist notwendig, aber nicht genug

Dass es Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, "das ist kein Mythos, sondern das ist ein Fakt", sagt Carmen Treml von der Agenda Austria. Schuld daran sei aber nicht Diskriminierung, denn der größte Teil der Einkommensdifferenz lasse sich mit Betreuungspflichten und der Berufswahl von Frauen erklären, so die Ökonomin des von Unternehmen finanzierten Instituts.

In Österreich nehme der Gender Pay Gap, also die geschlechtsspezifische Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen, zwar seit Jahren ab, aber der Motherhood Pay Gap, also die Gehaltsdifferenz, die sich auf Kinderbetreuungspflichten zurückführen lasse, nehme zu. Elternkarenz werde in 96 Prozent aller Partnerschaften von den Müttern in Anspruch genommen, nur bei einem von drei österreichischen Paaren mit Kind würden beide Eltern Vollzeit arbeiten, während der EU-Schnitt bei über 50 Prozent liege.

Während die Einkommen grundsätzlich mit dem Alter der Beschäftigten steigen, gilt das für Frauen mit Kindern nicht: Viele arbeiten nach der Karenz nur noch Teilzeit oder kehren überhaupt nicht mehr ins Erwerbsleben zurück.

Die Teilzeitquote von Frauen steige mit der Geburt eines Kindes erheblich an, verweist Treml auf Daten der Statistik Austria. Hingegen liege der Anteil von Männern mit Kindern in Teilzeit sogar unter jenem von Kinderlosen. Bemerkenswert sei auch, dass fast die Hälfte der kinderlosen Frauen zwischen 45 und 54 Jahren Teilzeit arbeite. "Ich glaube, dass das sehr mit den subjektiven Präferenzen zusammenhängt und vielleicht nicht mit dem Angebot", sagte Treml im Gespräch mit der APA. Der generelle Trend zur Teilzeitarbeit, sowohl bei Männern als auch Frauen, werde auf Dauer zum Problem für das Sozialsystem.

Am häufigsten wird die Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen als Grund für Teilzeitarbeit von Frauen genannt. Dabei gibt es aber große regionale Unterschiede: Während in Wien neun von zehn Kindern so betreut werden, dass die Eltern Vollzeit arbeiten können, ist es in Vorarlberg, Tirol oder der Steiermark nicht einmal die Hälfte.

Ganztagsbetreuung sei eine Grundvoraussetzung für eine höhere Erwerbsbeteiligung der Frauen, betonte Treml. Denn ohne Ganztagsbetreuung würden sich viele Frauen schon alleine aus finanziellen Gründen dafür entscheiden, die Kinderbetreuung selbst zu übernehmen, weil die Betreuungskosten oft höher wären als der zusätzliche Lohn - sie stecken in der "Teilzeitfalle".

Gute Kinderbetreuung sei aber nicht genug, so Treml. Auch in Wien sei die Vollzeitbeschäftigung von Frauen in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Nicht einmal die Hälfte aller erwerbstätigen Frauen arbeite mehr als 35 Stunden pro Woche. Auch bei Männern gebe es einen Trend zu geringeren Wochenarbeitszeiten.

Einen wichtigen Grund dafür sieht die Agenda Austria in der hohen Steuerbelastung von Arbeit und in der Steuerprogression. In der EU werde Arbeit nur in Belgien und Deutschland stärker besteuert als in Österreich, wobei die Steuerbelastung gerade im mittleren Einkommensbereich stark ansteige. Es sei daher unattraktiv, die Arbeitszeit auszuweiten.

Frauen könnten wesentlich zur Entschärfung des Fachkräftemangels beitragen, als Grundvoraussetzung dafür müsste aber das Kinderbetreuungsangebot ausgeweitet werden, sagen die Agenda-Wirtschaftsforscher. Dabei gehe es nicht nur um Kindergärten, sondern auch um Ganztagsschulen.

Hohe Lohnsteuertarife sollten erst bei höheren Einkommen greifen als derzeit, und durch einen Sonderabsetzbetrag für Vollzeitbeschäftigte könnte Vollzeitarbeit attraktiver werden, lautet die Empfehlung. Die Entlastung könnte auch gestaffelt erfolgen: Je höher die Stundenzahl, desto höher die Freigrenze.

Ungerecht sei auch die Geringfügigkeit mit einer Grenze von derzeit 500,91 Euro im Monat, sie sollte daher abgeschafft werden, so die Empfehlung. Die Pendlerpauschale sollte reformiert und nur noch bei Vollzeitarbeit voll ausbezahlt werden.

Eine Reform wünscht sich die Agenda Austria auch bei der Karenz, die in Österreich besonders lang sei und fast nur von Frauen in Anspruch genommen werde. Sie sollte zwischen den Elternteilen aufgeteilt und auf maximal ein Jahr pro Partner gekürzt werden. Ein zu langes Fernbleiben vom Arbeitsmarkt führe zu niedrigeren Pensionsansprüchen und erhöhe damit die Gefahr von Altersarmut.

(Redaktionelle Hinweise: GRAFIK 0327-23, 88 x 90 mm) ivn/vos

WEB https://www.agenda-austria.at/

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