06.03.2013 14:41:32
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UPDATE: EU leitet Verfahren gegen Deutschland wegen Netzentgelten ein
-- Brüssel prüft Befreiung stromintensiver Unternehmen
-- Bundesregierung sieht keine staatliche Beihilfe
-- Grüne fordern Abschaffung der Befreiung
(NEU: Bundeswirtschaftsministerium, Grüne)
Von Claudia Wiese und Andreas Kißler
BRÜSSEL--Die Befreiung stromintensiver Unternehmen von den Netzentgelten in Deutschland verstößt eventuell gegen EU-Beihilferecht. Die EU-Kommission leitete offiziell ein Verfahren gegen Deutschland ein, in dem geprüft werden soll, ob es sich bei der Gebührenbefreiung von rund 300 Millionen Euro um staatliche Subventionen handelt und diese den Wettbewerb verzerren.
Unter anderem der Bund der Energieverbraucher hatte sich Ende 2011 bei der Kommission über Deutschland beschwert. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf prüft derzeit, ob diese bevorzugte Behandlung privater deutscher Stromgroßkunden zulässig ist und hatte die Kommission im vergangenen Herbst um Stellungnahme gebeten. Die Bundesregierung zeigte sich aber nach der Brüsseler Ankündigung überzeugt, dass die Netzentgeltbefreiung rechtmäßig ist.
Netzentgelte werden für die Nutzung der Energienetze, also beispielsweise die Hochspannungsleitungen, fällig. Eine entsprechende deutsche Verordnung wurde Ende Juli 2011 revidiert, seitdem müssen die Letztverbraucher die fehlenden Netzeinnahmen finanzieren.
Der Verband der Energieverbraucher, ein Zusammenschluss aus über 13.000 privaten und kleingewerblichen Verbrauchern, beschwerte sich darüber, dass die deutsche Stromnetzentgeltverordnung seit August 2011 große Stromverbraucher von der Zahlung der Netzentgelte teils komplett befreit. Dadurch müsse ein deutscher Durchschnittshaushalt im Jahr bis zu 30 Euro mehr für Strom zahlen.
Die EU-Kommission muss bestimmte staatliche Beihilfen genehmigen. Gegenwärtig sei sie der Auffassung, dass es sich bei der Netzgebührenbefreiung "um staatliche Mittel handeln könnte" und diese den Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil "zu verschaffen scheint". "Auf diese Weise könnte der Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verzerrt werden", begründet die Kommission das eingeleitete Verfahren.
Die Bundesregierung hält dem entgegen, es handele sich nur um eine Gegenleistung für die Stabilität der Netze. "Aus Sicht der Bundesregierung liegt in der Netzentgeltbefreiung keine staatliche Beihilfe vor", sagte der Sprecher des Wirtschaftsministeriums, Holger Schlienkamp. "Sie stellt vielmehr eine Gegenleistung für den Beitrag stromintensiver Unternehmen zur Netzstabilität dar", begründete er bei einer Pressekonferenz in Berlin die deutsche Haltung.
Das Wirtschaftsministerium arbeite derzeit an einer Neuregelung der Netzentgeltbefreiung, halte jedoch daran fest, dass "der Beitrag der energieintensiven Unternehmen für ein ausgewogenes Lastenmanagement der Netze" Berücksichtigung finden müsse. Das Wirtschaftsministerium prüfe nun die Entscheidung der Kommission und ihre Auswirkung auf Bescheide der Netzagentur.
Hingegen forderte die Opposition eine Abschaffung der Befreiung. "Die von der Koalition in einer Nacht und Nebel-Aktion eingeführte Befreiung der Industrie von den Netzentgelten ist ungerecht und unsozial", bemängelte der Grünen-Energiewirtschaftsexperte Oliver Krischer. Diese Auffassung teile offenbar auch die Kommission. Krischer forderte die Bundesregierung daher auf, "die ungerechtfertigten Ausnahmeregelungen noch vor der Bundestagswahl komplett zurückzunehmen".
Auch das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz wird seit vergangenem Herbst ebenfalls nach einer Beschwerde des Bunds der Energieverbraucher von der Kommission unter die Lupe genommen. Denn Unternehmen mit hohem Stromverbrauch müssen weitaus weniger für die Förderung regenerativer Energie zahlen.
Kontakt zum Autor: konjunktur.de@dowjones.com
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March 06, 2013 08:11 ET (13:11 GMT)
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