05.12.2022 19:48:38
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OTS: Börsen-Zeitung / Ohrfeige, Kommentar zu FlatexDegiro von Björn Godenrath
Ohrfeige, Kommentar zu FlatexDegiro von Björn Godenrath
Frankfurt (ots) - Es ist selten, dass ein Unternehmen in einer Ad-hoc-Mitteilung
so viele schlechte Nachrichten unterbringen muss, wie es FlatexDegiro am
Wochenende getan hat. Zunächst hat die BaFin in einer Sonderprüfung Mängel in
der Organisation und Führung des Unternehmens festgestellt. Dann wurde eine
Unterkapitalisierung der FlatexDegiro Bank AG festgestellt. Und außerdem sah
sich CEO Frank Niehage noch gezwungen, die bereits gesenkte - und kürzlich erst
bestätigte - Prognose für das laufende Geschäftsjahr nach unten hin anzupassen.
Vier Wochen vor Jahresschluss wurde die Erwartung für die operative Marge
(Ebitda) um satte 5 Prozentpunkte auf 37 % reduziert und die Umsatzerwartung von
mindestens 400 Mill. auf 380 Mill. Euro gesenkt. Das reflektiert natürlich auch
das im Brokerage eingetrübte Umfeld - aber da hätte das Unternehmen besser
früher die Latte niedriger gelegt, denn der aufziehende Sturm war absehbar.
Von den Anlegern kassierte Niehage eine Ohrfeige. Die Aktie gab in der Spitze um
38 % nach und markierte ein Dreijahrestief. Auch am Montag schaffte es das
Unternehmen nicht, die Nerven der Aktionäre zu beruhigen. Mit einem Marktwert
von nur noch 800 Mill. Euro könnte FlatexDegiro tatsächlich zum
Übernahmekandidaten werden, wenn die Altaktionäre zu derzeitigen Preisen
abgabebereit wären. Sonderlich viel Upside gibt es nicht für die Aktie, denn die
Online-Broker stehen vor einem fürchterlichen Geschäftsjahr 2023. Das
Trading-Volumen dürfte sich weiter abschwächen, da die Retail-Kunden im Rahmen
der allgemeinen Konsumzurückhaltung eher geneigt sein könnten, aufgrund der
Teuerung Geld aus ihren Depots abzuziehen, um anderswo Lücken zu stopfen.
Immerhin tasten sie die Wertpapiersparpläne bislang nicht an, wie im Markt zu
hören ist.
Vor diesem allgemeinen Hintergrund im Wertpapierhandel bröckelt es auch bei den
Neobrokern. Einige sind bereits auf Käufersuche: So soll J.P. Morgan ein Auge
auf die britische Freetrade geworfen haben, die zugibt, dass sie eine
Finanzierung sucht, derzeit aber keine Due-Diligence-Prozesse stattfänden.
Ebenfalls auf Kapitalsuche befindet sich die niederländische Bux. Die sah sich
aber immerhin in der Lage, am Montag die Übernahme der spanischen Rivalin Ninety
Nine zu stemmen - wohl dem, der in guten Zeiten ausreichend Kapital aufgenommen
hat.
Darüber hinaus droht der Branche von weiterer Seite Gegenwind: Auch wenn
inhaltlich fast alles dagegenspricht, dürften die in der Branche üblichen
Rückvergütungen von Marktmachern an Broker (Payment for Orderflow, PFOF) nahezu
komplett eingeschränkt werden, selbst wenn deutsche Institute in Brüssel noch
darum ringen, das unsinnige Verbot abzubiegen. Neobroker wie Trade Republic
rüsten sich dafür, indem sie die Option verfolgen, einen eigenen Marketmaker
aufzustellen. Allein die aufsichtlichen Genehmigungen dafür dürften sich ziehen.
Bei der nun einsetzenden Konsolidierung im Brokerage wird Frank Niehage zusehen,
auf der aktiven M&A-Seite zu stehen - wenn er denn bei FlatexDegiro am Ruder
bleibt. Mit Muhamad Chahrour wird ihm der bisherige Finanzvorstand an die Seite
gestellt als Co-CEO, der das Tagesgeschäft als COO steuert. Es riecht ein
bisschen nach einer Wachablösung.
Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Telefon: 069--2732-0
www.boersen-zeitung.de
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