11.03.2022 20:39:38
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Die US-Zinskurve invertiert, Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots) - Nach der Europäischen Zentralbank (EZB) ist bekanntlich vor
der Federal Reserve (Fed) - und in schöner Regelmäßigkeit gilt das auch
umgekehrt, von kurzfristig anberaumten Krisensitzungen mal abgesehen. Nachdem
die Euro-Währungshüter in der abgelaufenen Woche ihre Sitzung hatten, kommen in
der neuen Woche ihre Amtskollegen in den USA zu ihren turnusmäßigen Beratungen
im Offenmarktausschuss zusammen. Und wenn am Mittwochabend der Zinsbeschluss
bekannt gegeben wird, dann wird der Zielsatz für US-Tagesgeld (Fed Funds Rate)
bei 0,50 Prozent nach bisher 0,25 Prozent liegen. So werden die jüngsten
Äußerungen des Fed-Chefs Jerome Powell von Volkswirten und Marktteilnehmern
gedeutet. Und damit soll dann das eintreten, was Akteure als Leitzinswende
sehen: Den Ausgangspunkt zu einer Serie von Zinserhöhungen, die die Leitzinsen
in den USA deutlich weit weg vom historischen Tief bewegen sollen. Und das
inmitten einer neuen Krise - einem Krieg mitten in Europa. Wenn die Auguren da
mal nicht die Rechnung ohne den Markt gemacht haben, denn der Bondmarkt sieht
das offenkundig ganz anders.
Die Eurodollar-Zinskurve ist invertiert. Eurodollar hat nichts mit der
Gemeinschaftswährung zu tun, sondern der Begriff kommt ursprünglich aus dem
Halten von Depositen von US-Banken bei Banken außerhalb der USA und damit des
Einflussbereiches der US-Notenbank. Vorwiegend wurden diese Gelder bei Banken im
europäischen Raum gehalten, woraus die Bezeichnung Euro für diese Dollar
resultierte. Diese Kurve ist - vielfach am breiten Markt unbemerkt - zwar schon
früher invertiert, und zwar im Laufzeitenpunkt 2024, nun ist die Inversion aber
schon auf Juni-Dezember 2023 "vorgerückt". Wie merkt Jamie McGeever von der
Nachrichtenagentur Reuters in einer Kolumne völlig richtig an: Die Märkte
"wetten" bereits auf Zinssenkungen, noch bevor der Anhebungsprozess der
Leitzinsen überhaupt begonnen hat. Einfach ausgedrückt gehen die Bondmärkte im
Eurodollar-Zinsbereich davon aus, dass es bereits im zweiten Halbjahr 2023 zu
den ersten Zinssenkungen seitens der Fed kommen wird, so McGeever.
Nun mag man argumentieren, dass dies nur eine Inversion in einem Bondsegment ist
und sie deshalb nur eingeschränkt aussagekräftig ist. Und was machen denn die
US-Staatsanleihen (Treasuries)? Die Kurve von zwei bis zehn Jahren - das
Standardlaufzeitband für Analysen - wies im Oktober 2021, also mitten in der
Pandemie und weit vor dem Ukraine-Krieg, einen Renditeabstand (Spread) von knapp
130 Basispunkten (BP) auf, d.h. die zehnjährigen US-Staatsbonds lagen bei einer
Rendite, die 130 BP über den zweijährigen Sätzen der US-Treasuries war. Seitdem
hat sich dieser Spread enorm verringert. Anfang des Jahres war es ein Abstand
von rund 90 BP, aktuell liegt er noch bei 23 BP, er war in der abgelaufenen
Woche aber schon bei 21 BP - der engste Spread seit zwei Jahren. Offensichtlich
gibt der Markt nicht so viel auf die Zinswendediskussion.
Eine flacher werdende Kurve signalisiert im Urteil der Märkte, dass es zu einer
wirtschaftlichen Abschwächung kommt, also das Wachstum, die wirtschaftliche
Aktivität zurückgeht. Geht die flache Kurve, bei der die Renditen entlang eines
bestimmten Laufzeitenbandes zum Beispiel von zwei bis zehn Jahren auf dem
gleichen Niveau liegen, schließlich in eine Inversion über, wird dies nach
Lesart der Märkte als ein Signal für eine wirtschaftliche Rezession gewertet.
Die Bondmärkte preisen mit niedrigeren langfristigen Zinsen, die unter den
kurzfristigen Anleiherenditen liegen, das Szenario ein, dass die Notenbank der
Wirtschaft mit Zinssenkungen auf längere Sicht unter die Arme greifen muss. Dies
wird dann schon mit den niedrigeren langfristigen Bondrenditen vorweggenommen.
In der Vergangenheit war die Zinskurvenveränderung ein verlässlicher
Signalgeber. In den vergangenen 60 Jahren ging praktisch jeder Rezession großer
Volkswirtschaften eine inverse Zinsstrukturkurve voraus, und zwar mit einem
Vorlauf von vier bis acht Quartalen. Die Eurodollar-Kurve zeigt dies also für
2024 - womöglich schon für 2023 - an.
Ohne Frage sind die USA geografisch betrachtet weit weg vom Ukraine-Krieg. In
wirtschaftlicher Hinsicht sind sie allerdings sehr nah dran und ebenso wie
andere Länder von den Finanzmarkt- und Wirtschaftsauswirkungen über höhere
Rohstoff- und Energiepreise stark betroffen. Und je nachdem, wie lang und wie
intensiv der Krieg wird, wird auch die US-Wirtschaft erheblich beeinträchtigt.
Das R-Wort wird wohl bald häufiger die Runde machen.
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