11.12.2019 12:21:00

Grasser-Prozess - Zeugin kann sich an nichts mehr erinnern

Am 130. Tag im Grasser-Prozess und einen Tag bevor sich das Riesenverfahren zum zweiten Mal jährt, hat heute die erste Zeugin ganz erhebliche Erinnerungslücken aufgewiesen. "Aus eigenem kann ich mich an nichts mehr erinnern", eröffnete sie Richterin Marion Hohenecker gleich zu Beginn der Befragung. In weiterer Folge verwies die Zeugin regelmäßig auf keine Erinnerung.

Die Zeugin R., die in der Liechtensteiner Vermögensverwaltung Private Asset Partners des angeklagten Norbert Wicki 15 Jahre lang in der Administration tätig war, war in die - von Wicki gegründete - Offshore-Gesellschaft Mandarin mit Sitz in Belize involviert. Die Staatsanwaltschaft rechnet dieses Gesellschaft dem Erstangeklagten Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser zu, was dieser bestreitet.

Richterin Hohenecker reagierte mit Unverständnis auf die Erinnerungslücken der Zeugin, die via Videokonferenz aus der Schweiz in das Wiener Straflandesgericht zugeschaltet war. So wollte sich die Zeugin nicht mehr erinnern können, wann sie ein privates Verhältnis zu Wicki hatte, schließlich "führe ich kein Buch darüber", so R.

Weiters verwies R. auf Aussagen, die sie bereits vor Ermittlungsbehörden getätigt hatte. Frage der Richterin daraufhin zu einem konkreten Fall: "Können Sie diese Aussage noch einmal wiederholen?" Antwort der Zeugin: "Ich habe das bereits ausgesagt."

Auch an Unterschriften, die sie in Geldgeschäften geleistet hatte, hatte R. kaum Erinnerungen. Bezüglich vorgezeigter Aktennotizen meinte sie mehrmals, die Darstellungsform, also das Layout, kenne sie, aber weder zu Inhalt noch zu Verfasser könne sie etwas beitragen. Im Wesentlichen seien aber alle Entscheidungen zum Konto Mandarin von Norbert Wicki getroffen worden.

Hohenecker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen und spulte ihre Fragen gewohnt detailgenau und ruhig ab, woraufhin die Zeugin nach rund 40 Minuten Befragung eine fünfminütige Pause urgierte, die ihr die Richterin gewährte. Nach der Pause merkte der in der Schweiz bei der Befragung anwesende eidgenössische Staatsanwalt an, dass eine derart strenge Befragung in der Schweiz nicht üblich sei - was im Großen Schwurgerichtssaal in Wien hörbar mit Erstaunen registriert wurde. Hohenecker meinte daraufhin, sie werde "etwas schweizerischer" nachfragen.

Die Befragung der Zeugin ist bis 13:00 Uhr angesetzt, dann werden noch drei weitere Zeugen via Videoschaltung gehört. Auch hier geht es um Geldgeschäfte in der Schweiz, Liechtenstein und dem zentralamerikanischen Belize.

Morgen, am zweiten Jahrestag der Hauptverhandlung zu der Privatisierung der Bundeswohnungen und dreier weiterer Causen, findet keine Verhandlung statt. Laut Hohenecker soll das Mammutverfahren nach Möglichkeit im Frühjahr 2020 abgeschlossen sein - wobei alle Prozessbeobachter davon ausgehen, dass das Urteil beeinsprucht wird.

(Schluss) stf/tsk/ivn

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