23.09.2022 17:39:41

EZB/Nagel: TPI/OMT sind ordnungspolitische Gratwanderung

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der gezielte Ankauf von Staatsanleihen einzelner Länder durch die Europäische Zentralbank (EZB) stellt aus Sicht von EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel eine ordnungspolitische Gratwanderung dar. In einer Rede an der Universität Luzern forderte Nagel, solche Instrumente nur bei offensichtlichem Marktversagen und gravierender Behinderung der Geldpolitik einzusetzen. Nagel bezog sich bei seinen Aussagen auf so genannte Outright Monetary Transactions (OMT), gegen die sein Amtsvorgänger Jens Weidmann 2012 votiert hatte und auf das Transmission Protection Instrument (TPI), dem er selbst im EZB-Rat kürzlich zugestimmt hatte.

Nagel sagte laut veröffentlichtem Redetext: "Aus ordnungspolitischer Sicht ist der Fokus auf Anleiherenditen einzelner Länder offensichtlich eine Gratwanderung: Einerseits geht es darum, einen funktionierenden Transmissionsmechanismus zu gewährleisten. Andererseits besteht die Gefahr, dass in einen eigentlich noch funktionierenden Markt eingegriffen wird oder für Staaten der Anreiz sinkt, ihre öffentlichen Finanzen nachhaltig auszurichten."

Nagel verwies darauf, dass der EZB-Rat vor etwaigen Käufen eine Liste von Kriterien prüfen würde, um zu beurteilen, ob die Mitgliedstaaten, für die TPI-Ankäufe erwogen werden, eine solide und tragfähige Finanz- und Wirtschaftspolitik verfolgten. "Diese Prüfung muss stringent und konsequent vorgenommen werden, auch und gerade bei der Einschätzung der Schuldentragfähigkeit der Mitgliedstaaten", sagte er. Sollte ein zeitweiser Einsatz erwogen werden, dann müsse die EZB überzeugend belegen können, dass sie einen Fehler der Märkte korrigiere, der die Geldpolitik gravierend einschränke.

"Da solche Situationen zum Glück selten und leider nicht leicht zu erkennen sind, sollte ein Beschluss des EZB-Rats zur Aktivierung des TPI auf einer umfassenden Beurteilung von Markt- und Transmissionsindikatoren basieren, sodass Transmissionsstörungen hinreichend belegt sind", so der Bundesbankpräsident.

Wegen der Wahlen am Wochenende steht derzeit Italien im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Parteien mit den größten Siegeschancen sehen finanzielle Auflagen der EU eher kritisch. Sie könnten versuchen, die Haushaltsdisziplin weiter zu lockern oder Vorgaben für den Einsatz der EU-Corona-Hilfen zu umgehen. Allerdings zeigen sich Anleihe-Investoren diesbezüglich entspannt, die italienischen Staatsanleiherenditen sind unauffällig.

Sollten die Renditen italienischer Staatspapiere im Zuge von EZB-Zinserhöhungen stärker als etwa die Bund-Renditen steigen, könnte das zu Forderungen führen, das TPI zu aktivieren. Die Ratingagentur Moody's aktualisiert am nächsten Freitag ihr Italien-Rating (Baa3), dessen Ausblick sie im August auf "negativ" gesetzt hatte.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/smh

(END) Dow Jones Newswires

September 23, 2022 11:40 ET (15:40 GMT)

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